Erst Tandem, dann mehr
Ganz einfach ist Tandemfahren nicht - das merken Menschen, die es gewohnt sind, solo auf ihrem Fahrrad zu "strampeln", meistens bei ihren ersten Versuchen. Mit etwas Übung und guter Kommunikation klappt es aber richtig gut, gemeinsam vorwärtszukommen. Das zeigt auch die Erfahrung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die beim "Tag der Caritas und Seelsorge" einige Proberunden auf dem Tandem wagten, das vor dem Erbacher Hof in Mainz bereitstand. Passend zum Thema des Tages: "Als Tandem unterwegs" war die Veranstaltung überschrieben.
Seit 2003 schon führt der "Tag der Caritas und Seelsorge" regelmäßig Mitarbeitende aus Caritas und Seelsorge zusammen, macht sie zunehmend vertrauter mit dem sozialpastoralen Arbeiten und ermöglicht den Austausch darüber. Diesmal sind gezielt "Newcomer", also neue Mitarbeitende in Caritas und Seelsorge, eingeladen - mögliche zukünftige Tandempartner*innen in einer stärker vernetzten sozialpastoralen Arbeit.
Dazu haben die fünf Caritasverbände des Bistums bereits im Vorfeld und Monate vor der Veranstaltung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Blick genommen, welche neu in Aufgabenfelder an der Schnittstelle zur Seelsorge gestartet sind, oder in den nächsten Jahren dahin entwickelt werden sollen. Mit diesem Personalentwicklungsprozess gestaltet die verbandliche Caritas im Bistum Mainz den Bistumsentwicklungsprozess Pastoraler Weg mit. Sie setzt sich dafür ein, Caritas-Ansprechpartner*innen für die neuen Pastoralräume und dann für die Tandemstruktur bereitzustellen.
"Als Tandem unterwegs" sind an diesem Tag auch Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz, Generalvikar des Bistums, und Diözesancaritasdirektorin Nicola Adick. Zusammen mit Regens Tonke Dennebaum als Vertreter des Pastoralseminars und dem stellvertretenden Seelsorgedezernenten Michael Wagner-Erlekam haben sie schon vor Beginn der Veranstaltung im Hof des Bildungszentrums ihre Bereitschaft demonstriert, das "echte" Tandem anzuschieben. Das gilt ebenso für weitere Leitungskräfte in Caritas und Seelsorge, die durch ihr Kommen das Anliegen der Sozialpastoral unterstützten.
Sozialpastoral hat im Bistum Mainz eine lange Tradition
Das Tandem spielt denn auch eine Hauptrolle bei den Impulsen, mit denen Adick und Bentz die rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Ketteler-Saal des Erbacher Hofs auf das Thema des Tages einstimmen. Dabei wird deutlich, dass ein erster "Anschub" bereits 2008 stattgefunden hat: Sozialpastoral wurde als Bistumsziel formuliert und somit der sozial-diakonische Ansatz klar als Schwerpunkt kirchlichen Handelns erkennbar. Mit Tandems aus Mitarbeitenden in Caritas und Seelsorge wurde erfolgreich eine neue Kultur des Miteinander erprobt, zunächst im Dekanat Rüsselsheim, dann in weiteren fünf Dekanaten.
Auf dem Pastoralen Weg sind diese Erfahrungen vom Teilprojektteam 1 nun als ein flächendeckendes Zusammenarbeitsmodell in Richtung Zukunft weiterentwickelt worden: In den neuen Pfarreien sollen je eine Person aus dem Seelsorgeteam und dem jeweiligen Caritasverband ein "sozial-diakonisches Tandem" bilden. Sie werden die Anliegen der Sozialpastoral in der Arbeit der Pfarreien ins Spiel bringen und das Thema im Sozialraum vertreten. Hierfür werden die Tandempartner*innen mit festen Stundenkontingenten ausgestattet werden. Das heißt keineswegs, dass allein diese beiden Menschen die Verantwortung für sozialpastorales Handeln übernehmen. Das Tandem, betont Nicola Adick, sei als "Keimzelle" zu verstehen, aus der eine weitergehende vernetzte Zusammenarbeit mit möglichst vielen Akteurinnen und Akteuren innerhalb und außerhalb der Kirche wachsen könne.
Weihbischof Bentz weist darauf hin, dass sich mit den Rahmenbedingungen des menschlichen Zusammenlebens auch die Rahmenbedingungen für die Kirche verändert haben. Dabei macht er auch klar: Mit dem notwendigen strukturellen Wandel, der durch die Errichtung der 46 neuen Pastoralräume gerade sichtbar wird, ist es nicht getan. Der Pastorale Weg verlangt ein neues Denken. Da geht es nicht um ein Nebeneinander von Sozialpastoral und anderen Bereichen. Nein, das Prinzip diakonischer Pastoral zieht sich durch alle Bereiche seelsorglichen Handelns. Als Beispiel nennt der Weihbischof die Erstkommunionvorbereitung: Sehen wir, mit welchen Familien wir es zu tun haben? Bemerken wir beispielsweise prekäre Lebenssituationen? Oder haben wir nur ein katechetisches Programm im Kopf, das wir durchziehen wollen?
Praxisbeispiel machen sozialpastorales Miteinander konkret
Die Vorstellung von "Best-Practice-Beispielen" ganz unterschiedlicher Art vermittelt einen Eindruck davon, wie Sozialpastoral in den größer werdenden Räumen lebendig werden kann: Da gibt es den "Gemeinschaftsgarten" in Worms, der in Zusammenarbeit des Caritasverbandes und der katholischen Jugendarbeit mit anderen Akteuren entstand und in dem sich Menschen verschiedener Generationen und Kulturen begegnen, ihre Ideen einbringen, gemeinsam den Garten gestalten, pflegen und nutzen.
Da gibt es die Pop-up-Kirche in der Region Offenbach, eine Initiative von haupt- und ehrenamtlich Engagierten der katholischen und der evangelischen Kirche. Da taucht Kirche an ungewohnten Orten auf, mitten im Alltag der Menschen, mit ganz unterschiedlichen Themen, Aktionen, Impulsen. So ging das Team etwa mit einer "mobilen Krippe" auf einem Autoanhänger auf Tour.
Da gibt es die intensive Zusammenarbeit von Caritas und Seelsorge im Odenwaldkreis, die sich seit vielen Jahren "zwanglos" entwickelt hat. Auch durch die eher schmale Personalsituation in der Diaspora hat sich der Wunsch und Wille der Akteure in Dekanat und Caritas-Zentrum ergeben, nicht alleine zu "strampeln", sodass seit Jahren ein im besten Sinne "eingefahrenes" Tandem unterwegs ist, das gemeinsame Projekte und die Vernetzung mit weiteren Akteuren im Sozialraum fördert.
Gelegenheit für Austausch und Vernetzung
Beispiele aus der Praxis, die geeignet sind, die im Erbacher Hof versammelten "Newcomer" zur Nachahmung anzuregen oder neue Ideen zu "spinnen" für eine diakonische Pastoral, die konsequent den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
"In ungezwungener Atmosphäre Newcomern aus Caritas und Seelsorge begegnen und Netzwerke knüpfen", hieß es im Einladungsflyer zur Veranstaltung. Damit hatten die Organisatorinnen Miriam Dierenbach-Kläui (Projektleitung; Caritasverband für die Diözese Mainz), Julia Gaschik (Caritasverband für die Diözese Mainz), Lucia Kehr (Pastoralseminar) und Martina Reißfelder (Dezernat Seelsorge) nicht zu viel versprochen.
In Kleingruppen hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Eindrücke, Fragen und Ideen auszutauschen. Immer wieder wurden die verschiedenen Stränge an dem Tag gut zusammen geführt von den zwei Moderatoren Pfarrer Michael Tomaszewski und Sozialarbeiter Gabriel Gessner, die in ihrem Arbeitsalltag im "kreuzpunkt im Viertel" im Mainzer Heiligkreuzviertel ebenfalls eng als Tandem zusammenarbeiten. Zum Schluss bot ein Imbiss im Freien noch jede Menge Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen oder auszubauen.
Vielleicht hat der "Tag der Caritas und Seelsorge" ja bei manchen Newcomern die Lust aufs Tandemfahren geweckt? Auch wenn es durchaus manche Anstrengung erfordert - wer Tandem fährt, profitiert auch selbst. Denn Tandemfahren soll gesund sein - kommen dabei doch die notwendige Bewegung und zwischenmenschlicher Kontakt ganz automatisch zusammen.
Text: Maria Weißenberger