Ingelheim/Mainz. Viele Menschen waren im vergangenen Jahr zu Unrecht in der Abschiebungshaft in Ingelheim inhaftiert. Das geht aus der Jahresauswertung des dort angesiedelten Caritas-Beratungsprojekts hervor, die die Caritas im Bistum Mainz am Dienstag vorstellte. Von den insgesamt 46 Menschen, die die Caritas 2023 in Ingelheim bei rechtlichen Interventionen unterstützte, wurden 21 aufgrund fehlerhafter Haftbeschlüsse aus der Haftentlassen. "Auch der Umgang mit Ausreisepflichtigen in der Abschiebungshaft ist nicht angemessen", kritisierte Diözesancaritasdirektorin Nicola Adick. "Die Menschen sind zum überwiegenden Teil keine Straftäter und benötigen Haftbedingungen, die ihre Rechte sicherstellen.
"Laut Auswertung wurden von den 46 Menschen 13 in ihr Heimatland abgeschoben, 12 wurden in ein anderes EU-Land zurückgeführt. In acht dieser 25 Fälle wurde die angeordnete Haft im Nachhinein von einer höheren Gerichtsinstanz für rechtswidrig erklärt, die Betroffenen waren zu diesem Zeitpunkt jedoch schon bereits abgeschoben beziehungsweise zurückgeführt worden. Die kürzeste Haftdauer betrug sechs Tage, die längste 92 Tage.
In Rheinland-Pfalz fehlt bis heute eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Vollzug von Abschiebungshaft. Die Haftbedingungen sind somit nicht eigenständig rechtlich geregelt. In einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Blick auf die Abschiebungshaft im bayerischen Hof stellt das Gericht fest, dass diese ohne eigenständige rechtliche Grundlagerechtswidrig sei. Der BGH macht ebenfalls deutlich, dass die Vorgaben des Artikels 6 der Grundrechtecharta der EU sowie des Artikels 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention auch in der Abschiebungshaft gewährleistet sein müssten. Die Caritas-Projektberaterin Denise Honsberg-Schreiber kritisiert, dass in der Abschiebungshaft in Ingelheim die Haftbedingungenrestriktiver seien als in anderen Bundesländern, etwa was die Nutzung eines eigenen Smartphones betrifft.
Der Rechtshilfefonds unterstützt die Abschiebungshäftlinge durch die Finanzierung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, damit diese fristgerecht intervenieren können. Hier einige Beispiele mit denen die Rechtsberatung im Jahr 2023 befasst war:
- Eine 70-jährige irakische Jesidin sollte nach Litauen abgeschoben werden, obwohl ihre gesamte Familie hier lebt und Sie Analphabetin ist, d.h. alleine nicht zurechtkommt. Sie konnte nach erfolgreicher Intervention zunächst in Deutschland bleiben.
- Ein junger Iraker der bereits einen Ausbildungsvertrag unterschrieben hatte, gutintegriert war und sich bei der freiwilligen Feuerwehr engagierte, ist in den Irakabgeschoben worden.
- Eine Irakerin, die sehr verängstigt war und psychische Probleme hatte, sollte nach Rumänien rücküberstellt werden, obwohl ihr Mann in Deutschland lebt. Nur durch ein externes Gutachten, welches gerichtlich beauftragt wurde, konnte Sie, nach Monaten unter schwierigsten Bedingungen, aus der Abschiebungshaft in eine psychiatrische Klinik verlegt werden.
- Ein Somalier, dessen schwangere Frau mit Kindern in Deutschland lebt und seine Hilfebenötigte, wurde nach Italien abgeschoben. Seine Klage ist noch beim Bundesgerichtshof anhängig.
Das unabhängige Beratungsprojekt in der Abschiebungshaft in Ingelheim besteht seit dem Jahr 2001. Der Caritasverband für die Diözese Mainz finanziert neben der Beraterinnenstelle auch den Caritas-Rechtshilfefonds zur Finanzierung von Rechtsberatung. Das Projekt wird aktuell vom Caritasverband Mainz durchgeführt. Insgesamt investiert die Caritas hier jährlich mehr als 40.000 Euro.