Verschiedenheit als gesellschaftlichen Reichtum begreifen
Lieber Prof. Dr. Kruip, Wie nehmen Sie die derzeitige gesellschaftliche Situation wahr - gerade auch im Blick auf die aktuellen Herausforderungen angesichts der Corona-Pandemie?
Die Pandemie und die aus meiner Sicht durchaus notwendigen Schutzmaßnahmen erzeugen viele Unsicherheiten, wobei wahrscheinlich die Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands, Europas und der Weltwirtschaft bei den meisten größer sind als die Sorge um die eigene Gesundheit. Was das langfristig auslöst, kann man noch nicht sicher abschätzen. Es wäre zu hoffen, dass uns die Krise bewusst macht, wie sehr wir als nationale Gesellschaften, aber auch weltweit verflochten und aufeinander angewiesen sind, so dass eine gemeinsame Politik für die Zukunft notwendig wird, die nur gelingen kann, wenn alle zu mehr Solidarität bereit sind. Das würde den gesellschaftlichen Zusammenhalt ja durchaus stärken und uns auch in anderer Hinsicht wieder zukunftsfähiger machen (z.B. im Blick auf den Klimawandel). Auf der anderen Seite scheint eine Minderheit den Druck und die Unsicherheit nur zu bewältigen, indem sie allzu einfachen Erklärungen, oft in Form von Verschwörungstheorien, auf den Leim geht. Dies wird freilich von bestimmten politisch interessierten Gruppen mächtig ausgenutzt und gefährdet sicher den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Hier ist es allgemeine Bürger/innenpflicht, zu widersprechen und aufzuklären, auch von Seiten der Kirche, anstatt wie Kardinal Gerhard Ludwig Müller ins gleich Horn zu blasen.
Die Pandemie und die aus meiner Sicht durchaus notwendigen Schutzmaßnahmen erzeugen viele Unsicherheiten, wobei wahrscheinlich die Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands, Europas und der Weltwirtschaft bei den meisten größer sind als die Sorge um die eigene Gesundheit. Was das langfristig auslöst, kann man noch nicht sicher abschätzen. Es wäre zu hoffen, dass uns die Krise bewusst macht, wie sehr wir als nationale Gesellschaften, aber auch weltweit verflochten und aufeinander angewiesen sind, so dass eine gemeinsame Politik für die Zukunft notwendig wird, die nur gelingen kann, wenn alle zu mehr Solidarität bereit sind. Das würde den gesellschaftlichen Zusammenhalt ja durchaus stärken und uns auch in anderer Hinsicht wieder zukunftsfähiger machen (z.B. im Blick auf den Klimawandel). Auf der anderen Seite scheint eine Minderheit den Druck und die Unsicherheit nur zu bewältigen, indem sie allzu einfachen Erklärungen, oft in Form von Verschwörungstheorien, auf den Leim geht. Dies wird freilich von bestimmten politisch interessierten Gruppen mächtig ausgenutzt und gefährdet sicher den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Hier ist es allgemeine Bürger/innenpflicht, zu widersprechen und aufzuklären, auch von Seiten der Kirche, anstatt wie Kardinal Gerhard Ludwig Müller ins gleich Horn zu blasen.
Kann man Zusammenhalt in der Gesellschaft herstellen? Und wenn ja, was braucht es dazu? Was motiviert Menschen, sich zu engagieren?
Zusammenhalt kann man nicht "herstellen" wie man beispielsweise ein Auto "herstellt". Denn die Förderung von Zusammenhalt kann ja nur gelingen, wenn die Menschen nicht als Objekte einer Art Sozialtechnik, sondern nur, wenn sie als selbst denkende und handelnde, zur Kritik, aber auch zur Solidarität fähige Menschen wahrgenommen und ernst genommen werden. Man kann Zusammenhalt aber durchaus fördern, indem man durch eine gute Sozialpolitik Existenzängste mindert, indem man möglichst allen Menschen Zugang zu guter Bildung gewährleistet, indem man Orte verständigungsorientierter Kommunikation schafft und, das finde ich sehr wichtig, indem man klarmacht, dass "Zusammenhalt" nicht "Homogenität" bedeutet. Je mehr es uns gelingt, mit Diversität, mit Verschiedenheit, produktiv umzugehen und sie als einen gesellschaftlichen Reichtum zu begreifen, anstatt alles das, was uns fremd erscheint, ausschließen zu wollen, um so mehr Zusammenhalt wird entstehen. Empirisch kann ja auch durchaus gezeigt werden, dass Indikatoren für Zusammenhalt wie Vertrauen, Bereitschaft zur Solidarität, politische Beteiligung, Bereitschaft zum konstruktiven Austragen von Konflikten, Toleranz, gerade dort stärker ausgeprägt sind, wo die innergesellschaftliche Vielfalt ebenfalls größer ist.
Zusammenhalt kann man nicht "herstellen" wie man beispielsweise ein Auto "herstellt". Denn die Förderung von Zusammenhalt kann ja nur gelingen, wenn die Menschen nicht als Objekte einer Art Sozialtechnik, sondern nur, wenn sie als selbst denkende und handelnde, zur Kritik, aber auch zur Solidarität fähige Menschen wahrgenommen und ernst genommen werden. Man kann Zusammenhalt aber durchaus fördern, indem man durch eine gute Sozialpolitik Existenzängste mindert, indem man möglichst allen Menschen Zugang zu guter Bildung gewährleistet, indem man Orte verständigungsorientierter Kommunikation schafft und, das finde ich sehr wichtig, indem man klarmacht, dass "Zusammenhalt" nicht "Homogenität" bedeutet. Je mehr es uns gelingt, mit Diversität, mit Verschiedenheit, produktiv umzugehen und sie als einen gesellschaftlichen Reichtum zu begreifen, anstatt alles das, was uns fremd erscheint, ausschließen zu wollen, um so mehr Zusammenhalt wird entstehen. Empirisch kann ja auch durchaus gezeigt werden, dass Indikatoren für Zusammenhalt wie Vertrauen, Bereitschaft zur Solidarität, politische Beteiligung, Bereitschaft zum konstruktiven Austragen von Konflikten, Toleranz, gerade dort stärker ausgeprägt sind, wo die innergesellschaftliche Vielfalt ebenfalls größer ist.
Was können die Kirche (im Bistum Mainz) und ihre Caritas Ihrer Meinung nach aus der Corona-Krise lernen?
Die Krise hat m.E. deutlich gemacht, dass eine Kirche, die sich in einer solchen Situation hauptsächlich darum sorgen würde, dass sie, wenn auch in einem stark reduzierten Rahmen, weiterhin Gottesdienst feiern kann, dadurch nicht nur eine Rückkehr zu längst überwunden geglaubtem Priesterzentrismus (oder gar Klerikalismus) Vorschub leisten würde, sondern auch in der Gesellschaft an Glaubwürdigkeit verlieren würde. Entscheidend am christlichen Glauben an einen menschenfreundlichen und gerechten Gott, ist doch, dass diejenigen, die Zeugnis für ihn ablegen, dies zumindest auch mit einer Praxis der Gerechtigkeit und der Menschenfreundlichkeit tun. Das heißt aber dann: Es ist die Caritas (in ihren verschiedensten Ausprägungsformen), die ins Zentrum christlichen Lebens und Zeugnisses gehört!
Die Krise hat m.E. deutlich gemacht, dass eine Kirche, die sich in einer solchen Situation hauptsächlich darum sorgen würde, dass sie, wenn auch in einem stark reduzierten Rahmen, weiterhin Gottesdienst feiern kann, dadurch nicht nur eine Rückkehr zu längst überwunden geglaubtem Priesterzentrismus (oder gar Klerikalismus) Vorschub leisten würde, sondern auch in der Gesellschaft an Glaubwürdigkeit verlieren würde. Entscheidend am christlichen Glauben an einen menschenfreundlichen und gerechten Gott, ist doch, dass diejenigen, die Zeugnis für ihn ablegen, dies zumindest auch mit einer Praxis der Gerechtigkeit und der Menschenfreundlichkeit tun. Das heißt aber dann: Es ist die Caritas (in ihren verschiedensten Ausprägungsformen), die ins Zentrum christlichen Lebens und Zeugnisses gehört!
Fragen: DiCV Mainz