Mirjams Slam

Von Geschichten und Büchern

Die Bahn hält an.

Du steigst aus.

Bist in der Stadt.

Hast deine Pläne.

Um dich herum, da sind diese Geschichten,

kleine Geschichten hüpfen durch die Gegend.

Kleine Geschichten von Baggern.

Von Spielplätzen und Eis essen gehen.

Es sind bunte Geschichten, Quasi Bilderbücher.

Und sie tanzen und singen und rennen vor sich her.

Ziehen an Buchseiten von den größeren Geschichten.

Größere Geschichten von Bausparverträgen

und Unfallversicherungen.

Sie unterscheiden sich.

Es sind Kochbücher dabei und auch Steuerratgeber.

Die meisten sind Romane mit kurzem, griffigen Klappentext

mit Wortfolgen wie "Wird seine Frau ihm verzeihen",

"bis sich alles änderte" oder "eine charmante Erzählung mit Witz und Biss".

Und hier und da liest du sie oder blätterst zumindest mal durch.

Du läufst durch die Stadt und siehst all diese Geschichten.

Reih an Reih gehen sie an dir vorbei.

An manchen Ecken kuscheln sich Einbände von

romantischen Kitschbüchern aneinander.

Was du nicht siehst ist das Buch neben dir,

oder willst du es nicht sehen?

Der Einband ist etwas angestaubt.

Und so manche Seite ist vergilbt.

Der Klappentext ist buchstabenweise etwas ausgeblichen.

Und die hohe Seitenzahl schreckt dich ab.

In diesem Buch stehen Geschichten.

Übers Scheitern, übers wieder aufstehen und erneut fallen.

Geschichten über Familien. Über Freundschaft. Über Glück.

Geschichten mit offenem Ende und ohne kleine Verzierungen an Seitenzahlen und

Überschriften.

Es könnte dir ein Lehrbuch sein, dich berühren, dich verändern.

Aber du hebst es nicht auf. Es ist dir zu schwer

und du hast Angst, dass die Staubschicht aufwirbelt

und auch dich bedeckt.

Und du liest immer wieder die gleichen Romane,

in der Hoffnung, große Weisheiten zu lesen,

etwas neues zu entdecken.

Doch das Buch, das da vor dir auf der Parkbank liegt,

schlägst du nicht auf.

Was für eine Verschwendung.

Wenn du etwas fürs Leben lernen willst,

dann wirst du das hinter strahlendbunten Comic-Covern nicht finden.

Heb das Buch auf. Lies ein paar Seiten und vertrau mir:

es wird dich fesseln und es wird dir etwas mitgeben.

Mirjam