Pressemitteilung des Caritasverbandes für die Diözese Mainz Verantwortlich: J. Otto Weber - Fon 06131/2826-254 - Fax
2826-279 |
Von Worms trat die Sozialstation vor 30 Jahren ihren
Siegeszug an – Feier mit Heiner Geißler: Eine Vision macht
Schule
Mit der Caritas-Sozialstation St. Lioba in
Worms wurde vor 30 Jahren erstmals eine Vision umgesetzt, die heute
flächendeckend in ganz Deutschland einschließlich der neuen Bundesländer die
soziale Landschaft prägt. Gewandelt hat sich seit Eröffnung der ersten
Sozialstation vieles, verändert haben sich wiederholt die Rahmenbedingungen –
nicht nur zum Besseren. Geblieben ist aber das Anliegen, kranken und
pflegebedürftigen Menschen fachlich qualifizierte Hilfe zu leisten und sie so
lange wie irgend möglich in ihrer vertrauten Umgebung leben zu lassen. Bei
der Feier des dreißigjährigen Bestehens von St. Lioba, der ersten und
ältesten Sozialstation in Deutschland, hielt einer die Festrede, der auch bei
ihrer Gründung schon Pate stand: Dr. Heiner Geißler, damals Sozialminister in
Rheinland-Pfalz. „Die Idee ist aus der Caritas heraus geboren
worden“, betonte Geißler, nachdem ihm der Vorsitzende des Caritasverbandes
für die Diözese Mainz, Ehrendomkapitular Hans-Jürgen Eberhardt, sehr herzlich
für seinen Anteil an der Gründung der ersten Sozialstation gedankt hatte. Und
in der Tat waren es zwei Frauen, Martha Belstler vom Caritasverband für die
Erzdiözese Freiburg und Gertrud Skowronski vom Mainzer Diözesancaritasverband,
die durch die Entwicklung der Sozialstation der häuslichen Pflege und
Versorgung kranker und alter Menschen vor 30 Jahren eine tragfähige Zukunft
gegeben haben. Bis dato kümmerten sich von kleinen Stationen aus fast
ausschließlich Ordensfrauen auf katholischer und Diakonissen auf
evangelischer Seite um kranke Menschen zu Hause. Durch Nachwuchsmangel war
diese Art der Pflege bedroht. Neu an der Sozialstation war die großflächige
Versorgung durch Teams, in denen den Schwestern durch gegenseitige Vertretung
eine geregelte Arbeits- und Freizeit garantiert werden konnte. Zugleich wurde
damit die häusliche Krankenpflege auch für die Mitarbeit von
nichtordensangehörigen Krankenschwestern geöffnet. Sozialstation hat Zukunft Während der Wormser Caritasdirektor Georg Diederich
bei der Feier des dreißigjährigen Bestehens der ältesten Sozialstation auch
die Sorgen der Finanzierung ansprach, und der Wormser Dekan Manfred Simon auf
den Zeitdruck hinwies, der die Arbeit oft erschwere, waren sich der Wormser
Oberbürgermeister Gernot Fischer und Festredner Heiner Geißler darin einig,
dass die Sozialstationen eine Zukunft haben, weil sie immer dringender
gebraucht werden. Insbesondere Geißler machte Mut, die Zukunft zu gestalten. Notwendig: Internationale soziale Marktwirtschaft In seiner Rede „Der Sozialstaat in einer Welt im
Umbruch“ machte Geißler eine großartigen Tour de Horizont. Dabei zeigte er
die Zusammenhänge zwischen der Politik im Großen wie im Kleinen auf. Globales
Denken, weltweites Agieren entbinde nicht von der Notwendigkeit, die Zukunft
zu gestalten und dafür zu sorgen, dass auch die neue Welt ein menschliches
Gesicht behält. Er warnte nachdrücklich davor, sowohl in der Weltpolitik wie
in der Politik vor Ort dem Markt das Feld zu überlassen. Die Soziale
Marktwirtschaft der Vergangenheit sei eine mühsam erkämpfte Politik gewesen,
die dem freien Spiel des Marktes Grenzen gesetzt habe, so Geißler. Er
forderte für die Zukunft eine internationale soziale Marktwirtschaft, ohne
die ein Zusammenleben der Völker in Friede und Freiheit nicht möglich sei.
Weltpolitisch gehe es nicht länger an, dass reiche Völker auf Kosten von
armen leben. Bereits jenseits des Mittelmeeres lebten Millionen junger
Menschen, die nicht mehr lange dulden, dass der Norden immer reicher werde,
während sie selbst in bitterer Armut leben. „Der Fundamentalismus in den vom
Islam geprägten Ländern hat deshalb hohen Zulauf, weil die soziale Ordnung
gestört ist“, sagte Geißler. Was in der Weltpolitik zu beobachten sei,
wiederhole sich in den nationalen Politiken. Seine eigene Partei, die CDU,
habe die Wahlen verloren, nachdem sie sich immer mehr mit dem Gedanken einer
Zwei-Drittel-Gesellschaft angefreundet habe – einer Gesellschaft, in der es
zwei Dritteln der Menschen gut geht, während ein Drittel in Armut leben muss.
„Man kann nicht ein Drittel der Menschen ausgrenzen, ohne politischen Schaden
zu erleiden“. Diese Erfahrung habe die CDU machen müssen, habe zuvor bereits
der Thatcherismus in Groß-Britannien und der Gaullismus in Frankreich gemacht.
Recht auf Leben in Würde Die Menschen müssten erkennen und in Politik
umsetzen, dass sie alle aufeinander angewiesen seien. „Auch Hans-Olaf Henkel
hat sich nicht alleine groß ziehen können“. Nach unserer Verfassung habe
jeder Mensch das Recht auf ein Leben in Würde – unabhängig davon, ob er Frau
oder Mann, gesund oder krank, alt oder jung, behindert oder nichtbehindert,
schwarz oder weiß, Asylbewerber oder Deutscher sei. Wer zu einem Leben in
Würde mehr Hilfe brauche, der müsse sie bekommen. Eindringlich rief Geißler
dazu auf, an einer Sozialpolitik zu arbeiten, die dies gewährleiste. In einer
solchen Politik habe dann auch die Sozialstation ihren selbstverständlichen
und unverzichtbaren Platz. Hoffnung über den Tag des Todes hinaus Leonhard Veith, der Vorsitzende des
Caritasverbandes Worms, hat als junger Pfarrer die Gründung der ersten
Sozialstation miterlebt und mitgetragen. In seinem Schlusswort dankte er
Geißler für seine Mut machenden Worte, dankte aber auch allen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sozialstation für ihren Einsatz. Immer
wieder erfahre er, dass sie durch ihr Dasein und Sosein „den Menschen
Hoffnung geben, über den Tag des Todes hinaus zu leben“. J. Otto Weber
|