Mainz. Welche Auswirkungen hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidassistenz vom 26. Februar 2020, insbesondere auf kirchliche Einrichtungen? Mit dieser Frage beschäftigte sich am 13. Dezember eine Diskussionsrunde der Ka-tholischen Akademie Erbacher Hof in Kooperation mit dem Caritasverband für die Diözese Mainz.
Professor Dr. Friedhelm Hufen, Jurist und Verfassungsrechtler, beleuchtete bei der digitalen Konferenz unter dem Titel "Herausforderung Suizidassistenz" zunächst die Entscheidung der Verfassungsrichter. Diese hatten eine Nichtigkeit des strafrechtli-chen Verbots geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung festgestellt und damit eine neue rechtliche Regulierung der Suizidassistenz eingefordert. Hufen sieht in dem Urteil eine "differenzierte Entscheidung". Das Gericht habe einerseits das Recht auf Selbstbestimmung - auf selbstbestimmtes Sterben - gestärkt. Andererseits habe es eine "Schutzpflicht" für das Leben betont.
Dr. Claudia Lücking-Michel, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete, warb dafür, "Sichtachsen auf das Leben zu öffnen, und dort lebenswerte Stunden und Tage zu finden". Auch sie sieht das Recht des Menschen, sein Sterben selbstbestimmt zu gestalten, fürchtet aber eine Gesellschaft, in der Menschen unter Druck geraten, ihr Leben durch einen Su-izid vorzeitig zu beenden, etwa um niemandem zur Last zu fallen. Kirchliche Einrich-tungen und palliative Einrichtungen müssten "Schutzräume" bieten.
Professor Dr. Dr. Dieter Birnbacher, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, begrüßt das Urteil als ein wichtiges Signal für Selbstbestimmung. Er hofft nun auf eine "politische Entscheidung, die mehr Rechtssicherheit bietet". Die Autonomie eines Sterbewunsches sicherzustellen, sei eine Herausforderung, räumte Birnbacher ein. Hier gelte es, "Sicherungen" einzubauen. Die Einwilligungs-fähigkeit und Wohlerwogenheit eines Sterbewunsches müsse sichergestellt, Druck von außen ausgeschlossen sein.
Große Herausforderung auch für die Einrichtungen
Die Darmstädter Caritasdirektorin Stefanie Rhein sieht in dem Urteil eine "große Herausforderung" für die Einrichtungen der Caritas, der sich diese aber engagiert stellen würden. Einerseits gelte es, die Selbstbestimmung der Klientinnen und Kli-enten zu sichern. Andererseits seien die Einrichtungen auch Schutzräume, in de-nen viele Menschen lebten und arbeiteten und Besucherinnen und Besucher aus dem Sozialraum ein- und ausgingen. Es brauche noch viele Diskussionsrunden, um zu einer gemeinsamen Haltung zu finden. "Da müssen wir miteinander im Ge-spräch sein."
Im Christophorus-Hospiz Mainz komme der Wunsch nach Suizid nur äußerst selten auf, berichtet die dortige Pflegedienstleitung Brigitte Gruner. Wichtig sei, mit leidvol-len Symptomen oder belastenden Ängsten umzugehen. "Meist steht nicht der Wunsch zu sterben, sondern der Wunsch nach Begleitung im Vordergrund." Leider seien die vielfältigen Möglichkeiten der Palliativmedizin noch immer zu wenigen Menschen bekannt. In der palliativen Begleitung gehe es um "Lebens-Bejahung". So bezeichnete ein Gast, eine ältere Dame, das Hospiz kürzlich als "Vor-Himmel". (jik)
Der erste Teil der Veranstaltung kann über youtube abgerufen werden:
Veranstaltung "Herausforderung Suizidassistenz" auf youtube