Diözese Mainz. – Ein unterstes
soziales Netz, das allen Menschen ein Leben in Würde ermöglicht, fordern die
Caritasverbände in der Diözese Mainz. Unmittelbar vor den bevorstehenden
Bundestagswahlen stellten in Mainz Diözesancaritasdirektor Hans-Jürgen Eberhardt
und der Giessener Caritasdirektor Bernhard Brantzen ein gemeinsames
Positionspapier des Diözesancaritasverbandes und der Caritasverbände Darmstadt,
Gießen, Mainz, Offenbach und Worms vor. Menschen, die von Ausgrenzung und
Verarmung betroffen und bedroht sind, dürften nicht aus dem Blickfeld der
künftigen Politik geraten, fordern die Caritasverbände und mahnen es als
dringlich an, soziale Gerechtigkeit zu schaffen, um Armut und Ausgrenzung zu
begrenzen. Es gehe darum, mit der Enzyklika „Laborem Exerzens“ von Papst
Johannes Paul II den Vorrang der Arbeit vor dem Kapital zu betonen und den
Blick auf die Probleme die Menschen im unteren Drittel unserer Bevölkerung zu
richten, die arm sind oder an der Armutsgrenze leben, sagte
Diözesancaritasdirektor Eberhardt zum Anliegen der Positionen.
Die sogenannte
„Pferde-Spatz-Theorie“, nach der die kleinen Spatzen davon profitieren, wenn es
den großen Pferden gut geht, habe sich als Irrtum erwiesen, so die Caritasverbände.
Seit Jahren werde von Politikern und Wirtschaftsverbänden propagiert, eine
stärkere steuerliche Entlastung „der Wirtschaft“ sei notwendig, damit diese
mehr Mittel für Investitionen und die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze zur
Verfügung habe. Viele Unternehmen hätten statt dessen ihre Gewinne genutzt, um
auf internationalen Finanzmärkten ihren Profit zu steigern und ihre Aktionäre
mit steigenden Dividenden zufrieden zu stellen. „Gleichzeitig wurden und werden
massiv Arbeitsplätze abgebaut“, stellen die Caritasverbände fest und bezeichnen
es als einen „Skandal“, dass die Opfer dieser strukturell bedingten Maßnahmen
häufig als „Belastung des Sozialstaates“ diffamiert werden.
Gerechtes Steuersystem notwendig
Rückläufige Steuereinnahmen hätten
zugleich zu einem umfassenden Abbau sozialer Dienste und Hilfen geführt. Für
die öffentliche Aufgabe der sozialen Sicherung aber müssten die notwendigen
Mittel bereit stehen. Das setze ein gerechtes Steuersystem voraus, das auf dem
Prinzip der Leistungsfähigkeit aufgebaut ist. Zu prüfen sind nach Meinung der
Caritasverbände verschiedene Vorschläge zur Verbesserung der
Steuergerechtigkeit. Genannt werden die Vermögenssteuer, die Erbschaftssteuer,
die Besteuerung von Gewinnen aus Aktienverkäufen, die Wertschöpfungsabgabe und
das Schließen von Steuerschlupflöchern. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer müsse
so gestaltet sein, dass Geringverdiener nicht zusätzlich belastet werden und
müsse zur Anpassung von Sozialleistungen für Grundsicherungsempfänger und
Familien mit niedrigem Einkommen führen.
Sozialstaat muss erhalten bleiben
Die Caritasverbände fordern einen
Sozialstaat, der dem Anspruch gerecht wird, allen Bürgerinnen und Bürgern unter
Einbezug ihrer Selbsthilfepotentiale ein Leben in Freiheit und Gerechtigkeit,
in Solidarität und unter Beachtung der Menschenwürde zu garantieren. Auf Dauer
sei der soziale Friede nur zu erhalten, wenn die Politik am Sozialstaatsprinzip
festhält und alles Notwendige veranlasst, um Arbeitslosigkeit, Armut und
Ausgrenzung zu bekämpfen.
Fünf Handlungsfelder
Aus ihren „vielfältigen Erfahrungen
mit Menschen in sozialer Armut und Not“, wie Bernhard Brantzen betonte,
konkretisieren die Caritasverbände ihre Forderungen auf den fünf
Handlungsfeldern: „Soziale Sicherung“, „Arbeit und Beschäftigung“, „Migration
und Integration“, „Gesundheit“ und „Familie“.
Leben in Würde ermöglichen
Sozialhilfe und Arbeitslosengeld
II decken in einer Reihe von Fällen nicht den tatsächlichen Bedarf. Deshalb
fordern die Caritasverbände, die Soziale Sicherung so auszugestalten, dass ein
Leben in Würde ermöglicht wird.
Arbeitslosigkeit bekämpfen
Das Hauptproblem der
Arbeitslosigkeit liegt nach den Erfahrungen der Caritas in den fehlenden Arbeitsplätzen.
Bei fünf Millionen Arbeitslosen sei die Lage der Langzeitarbeitslosen fast
aussichtslos. Deshalb fordern die Caritasverbände die offizielle Anerkennung
eines dauerhaft subventionierten sogenannten „Zweiten Arbeitsmarktes“ für
Menschen mit Leistungsminderungen und eine gesicherte öffentliche Finanzierung
der Träger von Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen.
Integrationsprogramme entwickeln
Das Ziel, Deutschland innerhalb
eines offenen, zusammenwachsenden Europas als ebenso offenes Land zu
präsentieren, sei mit dem Zuwanderungsgesetz nicht erreicht worden. Zudem seien
angesichts rückläufiger Zuwanderungszahlen Ängste vor zu starker Zuwanderung
unbegründet. Deshalb fordern die Caritasverbände zum Handlungsfeld „Migration
und Integration“ die Entwicklung eines Integrationsprogramms und die
Unterstützung und Förderung „nachholender Integration“.
Gesundheitsversorgung für alle
Menschen
Zum Handlungsfeld Gesundheit
fordern die Caritasverbände eine angemessene Gesundheitsversorgung für alle
Menschen, deren Finanzierung solidarisch von Gesunden und Kranken, von Einkommensstarken
und Einkommensschwachen getragen wird. Eine Umverteilung zu Lasten von Geringverdienern
bei der Einführung neuer Finanzierungssysteme im Gesundheitswesen lehnen sie
ab.
Familien fördern
Zum Handlungsfeld „Familie“
schließlich fordern die Caritasverbände nachhaltige Verbesserungen insbesondere
für die Bezieher niedriger Einkommen durch Ausbau des Kinderzuschlags
zusätzlich zum Kindergeld, beitragsfreie Kindergartenplätze für arme Familien
und einen Rechtsanspruch auf eine verlässliche Tagesbetreuung für Kinder unter
drei Jahren. Benachteiligte Kinder und Jugendliche brauchen eine stärkere
Unterstützung zu mehr Chancengleichheit in Schule und Beruf.
Maßstab: Der Mensch in seinen
Nöten
Zentraler Maßstab, an dem sich die
Politik gleich welcher Partei essen lassen muss, ist gemäß der christlichen
Sicht nach Auffassung der Caritasverbände der Mensch in seinen Nöten. Darauf
weise auch die katholische Soziallehre immer wieder eindrucksvoll hin, sagte
Brantzen. Durch die Veröffentlichung ihrer Positionen zum jetzigen Zeitpunkt
wollen sie einen Beitrag leisten, dass soziale Gerechtigkeit in unserem Land
nicht untergeht.
J. Otto Weber
Hinweis
Wortlaut der Position der Caritasverbände zur Bundestagswahl
2005 im Internet unter
www.dicvmainz.caritas.de/569.asp