Worms. – In Worms gingen Schwestern und Pfleger auf die Straße. Mit einem Autokorso durch die Stadt und einer anschließenden Kundgebung auf dem Marktplatz demonstrierten sie für eine bessere öffentliche Anerkennung des Pflegeberufes, für bessere Rahmenbedingungen und ein Zurückfahren der Verwaltungsbürokratie auf das Notwendige. Beteiligt haben sich an der Aktion Pflegekräfte von allen ambulanten und stationären Einrichtungen der Verbände der freien Wohlfahrtspflege und von privaten Anbietern von Pflegeleistungen.
Wie ein Lindwurm schlängelte sich laut hupend der rund 400 Meter lange Autokorso, gebildet von Wagen verschiedener Sozialstationen und Altenpflegeeinrichtungen, durch die Straßen von Worms. Schwestern und Pfleger in Dienstkleidung verteilten an seinem Rande und in der Fußgängerzone der Innenstadt Flugblätter mit den Hauptforderungen der Aktion: Gesellschaftliche Unterstützung und Wertschätzung des Pflegeberufes, die sich auch in angemessener Vergütung ausdrücken und die Pflegeberufe wieder attraktiver werden lassen - Vertrauen von Politik und Gesellschaft angesichts des hohen Niveaus der Qualität der Pflege - Kostendeckende und angemessene Vergütung der Pflegeleistungen und weniger Bürokratie, damit mehr Zeit für die Pflegebedürftigen bleibt.
Höchste Zeit für Veränderungen
„Es wird höchste Zeit, dass wir für eine Veränderung der Pflege eintreten“, eröffnete der Wormser Caritasdirektor Georg Diederich als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände die anschließende Kundgebung auf dem Marktplatz. Ein Alarmsignal sah er unter anderem darin, dass es bei derzeit hohem Fachkräftemangel nur noch unzureichend gelingt, junge Leute für den Pflegeberuf zu interessieren. Joachim Girrbach von der Diakonie wies auf den Widerspruch hin, dass die Pflege von ihren Klienten hohe Anerkennung erfährt, von der Öffentlichkeit aber eher mit Misstrauen beäugt wird. Kaum ein Bereich, so Karl-Heinz Schmehr vom Arbeiter Samariter Bund, sei in Deutschland so umfänglich geregelt, wie die Pflege. Er forderte, die Bürokratie auf das Notwendigste zu beschränken, damit mehr Zeit für die zu Pflegenden bleibt.
Pflege – ein anspruchsvoller Beruf
„Zwei zupackende Hände und ein mitfühlendes Herz reichen nicht aus“, so die Dekanin des Fachbereichs Pflege an der Katholischen Fachhochschule in Mainz, Professorin Dr. Renate Stemmer, zu den hohen Anforderungen, die heute mit dem Pflegeberuf verbunden sind. Unter anderem ermittle professionelle Pflege den Pflegebedarf, lege entsprechende Maßnahmen fest und führe sie durch; sie berate die Angehörigen und erkenne auch, wenn Angehörige überfordert seien. „Es muss auch in der Öffentlichkeit klar werden: der Pflegeberuf ist ein qualitativ hochwertiger Beruf“, forderte sie. Wegen der hohen Anforderungen an den Beruf plädierte sie dafür, die Ausbildung zunehmend an die Hochschulen zu verlegen, wie es in vielen Nachbarländern in Europa geschehe. „Deutschland darf nicht zum Schlusslicht werden!“
„Die Rahmenbedingungen sind so zu verbessern, dass die interessanten Berufe der Pflege wieder attraktiv werden“, fasste Kristin Daleiden vom Deutschen Roten Kreuz das Anliegen der Demonstration zusammen. Das erfordere mehr Zeit, mehr Geld und mehr Personal.
Politiker zur Begleitung einer Pflegetour eingeladen
Die Demonstration von Worms war eine von mehr als landesweit 170 Veranstaltungen im Rahmen der „Woche der Pflege“, die in Rheinland-Pfalz vom 24. bis 28. Juni den Stellenwert und die Zukunft von Pflege ins Bewusstsein der Öffentlichkeit heben wollte und will. „Das muss etwas bewirken“, sagte Diederich zum Abschluss der Veranstaltung. Er sprach die Erwartung aus, dass der Funke von der Regional- auf die Landes- und Bundesebene überspringt und konkrete Schritte zur Verbesserung und Zukunftssicherung der Pflege einleitet. Die Wormser Politiker lud er ein, bei der Pflegetour einer Sozialstation mitzufahren und persönliche Eindrücke von den Bedingungen zu sammeln, unter denen heute gute Pflege stattfinden muss. – In Mainz haben sechs Mitglieder des Stadtrates ein entsprechendes Angebot von Sozialstationen angenommen. Sie sind, wie sie vor zwei Tagen auf einer Pressekonferenz darlegten, tief beeindruckt gewesen von der hohen fachlichen Qualität, mit der Pflegerinnen und Pfleger ihren Dienst versahen, von der Herzlichkeit, die sie den Pflegebedürftigen gegenüber ausgestrahlten, und dem enormen Zeitdruck, unter dem sie ihre Arbeit verrichten müssen.
J. Otto Weber