Qualitätsverlust bei der Betreuung behinderter
Kinder in Kitas befürchtet
Zahlen die Kinder jetzt die Zeche?
Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e.V. befürchtet zukünftig einen klaren Qualitätsverlust bei der Betreuung von Kindern mit Behinderung in hessischen Kindertageseinrichtungen.
„Wir sind verärgert und enttäuscht, dass die Kommunen den vereinbarten Kompromiss nun doch nicht eingehen wollen. Bisherige Standards der Betreuung sollen zu Lasten behinderter Kinder aufgeben werden und eine Regelung für die Kin-der unter drei Jahren ist immer noch nicht in Sicht“, sagte der Vorsitzende des Arbeitskreises „Kinder, Jugend, Frauen und Familie“ und Verhandlungsführer der Liga, Thomas Domnick.
Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen verhandelt seit über einem Jahr mit den Kommunen über eine Fortführung der „Rahmenvereinbarung zur Integration von Kindern mit Behinderung“. Dabei sollen wie schon seit 1999 bei der Aufnahme eines Kindes mit Integrationsbedarf in eine Regelgruppe die Platzzahl der Gruppe reduziert, die Betreuung der unter drei-jährigen Kinder mit Behinderung ermöglicht werden und auch die 15 zusätzlichen Fachkraftstunden erhalten bleiben.
Bei einem Gespräch mit Sozialminister Stefan Grüttner am 25. Juni hatten die Kommunalen Spitzenverbände genau dies zugesagt: Demnach sollte es „bei der gewohnten Qualität und mindestens dem Status Quo bleiben“, wie es in der entsprechenden Pressemitteilung des Sozialministeriums heißt. „Nun machen die Kommunen einen Rückzieher und wollen die Regelung zur Gruppenreduzierung doch aus der Rahmenvereinbarung herausnehmen. Es muss aber bei einer Absenkung der Gruppengröße um fünf Plätze bleiben und das Prinzip der Gruppenabsenkung muss auch bei den Krippenkindern Anwendung finden. Sonst können Kinder mit Behinderung nicht mehr ausreichend gefördert und integriert und ihre Eltern nicht mehr umfassend beraten und unterstützt werden“, kritisierte Domnick.
Das Land Hessen hat seine pauschale Förderung im Zuge des Hessischen Kinderförderungsgesetzes angehoben und mit den Kommunen einen Finanzierungsausgleich von jährlich durchschnittlich 424,5 Millionen Euro vertraglich geregelt. Dass die Kommunalen Spitzenverbände sich nun quer stellen und nach eigenen Angaben durch die Gruppenreduzierung künftig insgesamt fünf bis sieben Millionen Euro pro Jahr einsparen wollen, ist im Interesse der Kinder nicht akzeptabel.
„Als Sozialhilfeträger sind die Kommunen ergänzend zum Jugendhilfeträger in der Pflicht, die Inklusion von Kindern mit Behinderung vom vollendeten ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt in Kindertageseinrichtungen zu gewährleisten", sagte Marek Körner, Referent für Soziale Arbeit beim Paritätischen Wohlfahrtsverband in Hessen. „Und wissenschaftliche Untersuchungen zeigen ganz klar: Je früher eine inklusive Bildung der Kinder gelingt, desto nachhaltiger wirkt sie sich aus und desto mehr Kosten spart auch die Öffentliche Hand."
Die Liga hatte gegenüber der Landesregierung von Anfang an die Notwendigkeit betont, das Thema Inklusion und deren konkrete Umsetzung im Hessischen Kinderförderungsgesetz zu verankern, was jedoch nicht geschah. „Dieses wichtige Thema blieb außen vor, und das rächt sich nun zu Lasten der Kinder, Eltern und Erzieherinnen und Erzieher, die einen weiteren Qualitätsverlust in der Betreuung der Kinder befürchten müssen", sagte der Stellvertretende Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Frühe Hilfen, Hubert Lorenz-Medick.
Hintergrund:
Ene Neuregelung der Rahmenvereinbarung war auch mit Blick auf den zum 1. August 2013 eingetretenen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für ein- und zwei-jährige Kinder notwendig geworden. Zudem wird im Zuge des Hessischen Kinderförderungsgesetzes zum 1. Januar 2014 auf eine kindbezogene Systematik der Finanzierung umgestellt, die bei Aufnahme von Kindern mit Behinderung zu finanziellen Mindereinnahmen der Träger und zu Personalreduzierung in der Gruppe beiträgt.