„Existenz sichern,
Teilhabe ermöglichen, Grundrechte stärken
“
Position der
Vertreterversammlung des Caritasverbandes für die Diözese Mainz e.V.
Existenzsicherndes
Einkommen und Teilhabe gefordert
Die Vertreterversammlung des
Caritasverbandes für die Diözese Mainz e.V. begrüßt
das Urteil
des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) vom
Dem Gesetzgeber wird hierin auferlegt, einen eigenständig errechneten, den realitätsgerechten Bedarf der Kinder widerspiegelnden Kinderregelsatz zu errechnen. Dieser soll transparent und nachvollziehbar gestaltet werden.
Mit der Solidaritätsaktion „1 Million Sterne – damit Kinder leben“ 2009 haben die Caritasverbände in der Diözese Mainz die Einführung eines eigenständigen Kinderregelsatzes gefordert.
Laut Berechnungen des Deutschen Caritasverbandes, die Daten des Statistischen Bundesamtes zugrunde legten, müssten die Regelsätze für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres auf ca. 257 Euro (42 Euro mehr gegenüber den geltenden Kinderregelsätzen) angehoben werden. Bei Kindern ab Beginn des 7. und bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres wurde ein Bedarf in Höhe von 272 Euro (21 Euro mehr) und für Kinder ab Beginn des 15. Lebensjahres und bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres wurde ein Bedarf in Höhe von 310 Euro (23 Euro mehr) festgestellt.
An anderer Stelle der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung wird klargestellt, dass auch der Regelsatz für Erwachsene realitätsgerecht, transparent und nachvollziehbar zu errechnen sei. Auch unvorhersehbare Notsituationen, die durch den pauschalierten Regelsatz nicht abgedeckt sind, sog. atypische Bedarfe, müssen in Einzelfällen Berücksichtigung finden. Das Bundesverfassungsgericht stellt damit den Grundsatz, dass aus dem Regelsatz Beträge für Notsituationen anzusparen seien, erstmals in Frage.
Dies entspricht den seit Jahren vorgebrachten Forderungen des Deutschen Caritasverbandes. Der nun zu entwickelnde Härtefallkatalog wird in der politischen Diskussion weiterhin kritisch begleitet werden müssen.
Neben dem existenzsichernden Kinderregelsatz ist es das erklärte Ziel der Caritas für alle Kinder und besonders für arme Kinder, eine verlässliche Infrastruktur zu entwickeln.
Bildung, Erziehung, Betreuung und Teilhabe sind durch für alle Kinder zugängliche, differenzierte Förderangebote in den Einrichtungen sicher zu stellen.
Mit dem Projekt „Katholische Kindertagesstätten als Familienzentrum“ entwickeln wir hierzu in der Diözese Mainz einen eigenständigen Beitrag im Kindertagesstättenbereich, der Eltern und Familien mit einbezieht.
Darüber hinaus muss das gesamte Schul- und Bildungssystem eine verstärkte Förderung von Kindern aus bildungsbenachteiligten, armen Familien auf nicht stigmatisierende Weise strukturell verankern. So ist z. B. für die ca. 1,7 Mill. Kinder im Regelsatzbezug des SGB-II private Nachhilfe nicht berücksichtigt.
Unsere Forderung ist, die Schule zu einem Lern- und Lebensort zu entwickeln, in welchem neben einem differenzierten Lehrangebot auch der kostenfreie Zugang zu Lehr- und Lernmitteln und zum Schulessen sicher gestellt ist. Dies dient auch einer diskrimierungsfreien und kostengünstigeren Gestaltung von Schule.
Mit den Caritaszentren im Sozial- und Pastoralraum stellen wir uns in der Diözese Mainz der Aufgabe, soziale Probleme Benachteiligter, von Armut und Ausgrenzung bedrohter Menschen, gemeinsam mit ihnen und dem Gemeinwesen zu lösen. Für die Umsetzung dieser Aufgaben sind neben der Selbsthilfe auch das Ehrenamt und die hauptamtlichen Mitarbeiter gefordert. Die Förderung des freiwilligen sozialen Engagements setzt angemessene personelle und damit auch finanzielle Rahmenbedingungen voraus.
Aus dem Grundrecht der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip leitet sich das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum ab. Dieses soll nicht nur die physische Existenz sichern, sondern soll ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabe am sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Leben ermöglichen.
Jobcenter - Hilfen aus einer Hand weiterentwickeln
Die Vertreterversammlung begrüßt die vorgesehene Grundgesetzänderung zur Neuordnung der Jobcenter. Trotz vieler Umsetzungsprobleme sind Hilfen aus einer Hand der richtige Weg, um die Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Kommunen weiterzuentwickeln. Bund und Länder sollen sich im Interesse der Arbeitssuchenden sehr zeitnah einigen, damit die Unsicherheiten nicht weiter zunehmen und verlässlich geholfen werden kann.
Niedriglöhne eindämmen und Kinderzuschlag ausbauen
Immer mehr Menschen arbeiten zu Löhnen, von denen sie nicht leben können (OECD-Studie, DIW-Studie). Wir brauchen die Diskussion um „gerechte Löhne“ mit denen die Arbeitenden ihr Ein- und Auskommen haben. Darüber hinaus befürworten wir einen Ausbau des Kinderzuschlages. Dies hätte zur Folge, dass Eltern, ohne ausreichendes Einkommen für ihre Kinder, außerhalb des SGB II unterstützt werden.
Wir begrüßen nachdrücklich den Vorschlag des DCV, der einen Kinderzuschlag in Höhe von 140 € pro Kind fordert. Dieser Kinderzuschlag nimmt bei steigendem Einkommen ab (Abschmelzrate 50 %). Bei hohen Einkommen ist er nicht vorgesehen.
Wir fordern alle Parteien in der Bundesrepublik, insbesondere in Hessen
und Rheinland-Pfalz auf, das politische Interesse an materieller
Existenzsicherung, an Teilhabe und gleichen Lebenschancen so zu
verstärken, dass Armut sich nicht weiter verfestigt. Unzureichende
materielle Ressourcen dürfen nicht weiter ausgrenzen.
Mainz,