Offenbach. – Fünfzehn Jahre lang hat er den Caritasverband
Offenbach verantwortlich geleitet. Am 17. Juni wurde Caritasdirektor Simon Tull
in den Ruhestand verabschiedet. Ihm zu Ehren hat der Mainzer Weihbischof und
Aufsichtsratsvorsitzende des Diözesancaritasverbandes, Dr. Werner Guballa,
zusammen mit mehreren Mitbrüdern -
unter ihnen der Mainzer Diözesancaritasdirektor und Domkapitular
Hans-Jürgen Eberhardt, der frühere Diözesancaritasdirektor, Domkapitular Jürgen
Nabbefeld, und der Aufsichtsratsvorsitzende des Caritasverbandes Offenbach,
Dekan Klaus Denner
- einen feierlichen
Gottesdienst in der bis auf den letzten Platz besetzten Offenbacher Kirche St.
Paul gefeiert. Kardinal Karl Lehmann, der ursprünglich dem Gottesdienst
vorstehen wollte, aber durch eine kurzfristigen Termin verhindert war, hat es
sich nicht nehmen lassen, persönlich zum Ende der Feierstunde zu kommen, um
seinen Dank für Tulls unermüdliches Engagement zugunsten armer und benachteiligter
Menschen auszusprechen. Er überreichte dem scheidenden Offenbacher
Caritasdirektor die Dankmedaille des Deutschen Caritasverbandes, die ihm dessen
Präsident, Dr. Peter Neher, verliehen hat. Den Dank der Stadt Offenbach für
Tulls immer am Gemeinwohl orientiertes, oftmals auch unbequemes Eintreten für
benachteiligte Menschen überbrachte in Vertretung des kurzfristig verhinderten
Oberbürgermeisters Gerhard Grandke der „erste Bürger der Stadt Offenbach“,
Stadtverordnetenvorsteher Manfred Wirsing. Er zeichnete Tull mit der
Rathausplakette aus, mit der die Stadt Offenbach „die verdienten
Persönlichkeiten unserer Stadt“ würdigt.
Kardinal Lehmann erinnerte daran,
dass sich der Caritasverband Offenbach bei Tulls Amtsantritt vor fünfzehn
Jahren in einer schwierigen Situation befand. Es musste eine Konzeption zur Sanierung
der Caritas-Altenheime gefunden werden, was unter Tulls Leitung gelungen sei:
Das Altenheim St. Elisabeth zog aus seiner maroden Bausubstanz in der Stadt aus
in einen schmucken Neubau gegenüber des bestehenden Altenheims St. Ludwig.
Dieses wurde von Grund auf renoviert und auf den Standard eines modernen
Altenheimes gebracht. Auf dem Gelände des heutigen Caritaszentrums wurde das
ehemalige Kontakt- und Freizeitzentrum für körperbehinderte Menschen zum Wohnheim
St. Hildegard umgebaut, das speziell die Belange dementiell erkrankter Menschen
berücksichtigt. Im ehemaligen Altenheim St. Elisabeth in der Offenbacher
Innenstadt wurden nach Umbau und Sanierung im heutigen Franziskushaus für alte
Menschen
Wohneinheiten für betreutes Wohnen und
eine
Begegnungsstätte
für Senioren mit offenem Mittagstisch eingerichtet. Weiterhin erinnerte der
Kardinal daran, dass unter Tulls Leitung die Zentrale des Caritasverbandes
Offenbach saniert wurde, in der auch der größte Teil der offenen Beratungsdienste
des Caritasverbandes Offenbach angemessene Räume gefunden habe.
Es sei nur
zu erahnen, so Kardinal Lehmann, welche Schwierigkeiten bei all diesen Baumaßnahmen
zu bewältigen waren, welche Hürden der Finanzierung und der Baugestaltung
genommen werden mussten. Tull habe sie mit Ausdauer und Beharrlichkeit bewältigt.
Für benachteiligte Menschen viel erreicht
Im Mittelpunkt von Tulls Denken
habe immer das Wohl derer gestanden, für die der Caritasverband da ist: der
alten, kranken, benachteiligten und hilfebedürftigen Menschen.
Unermüdlich
sei er in der Stadt und dem Landkreis Offenbach sowie im Landkreis Groß-Gerau,
der ebenfalls zum Einzugsgebiet des Caritasverbandes Offenbach zählt,
eingetreten für die benachteiligten Menschen. Durch seine fundierte
Sachkenntnis, seine Überzeugungskraft und seine mit Leidenschaft vertretene
Anwaltschaft sei er ein geschätzter und allseits respektierter Gesprächspartner
gewesen, der viel erreicht habe, würdigte der Kardinal.
Er wisse, so Lehmann,
dass es Tull sehr geschmerzt habe, als gegen Ende seiner Amtszeit – vor allem
infolge der drastischen Kürzungen der Hessischen Landesregierung im
Sozialbereich – aus finanziellen Gründen qualifizierte Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter entlassen werden mussten, die der Caritasverband Offenbach
angesichts zunehmender Not in der Bevölkerung dringend weiterhin gebraucht
hätte.
Dankmedaille des Deutschen Caritasverbandes
Kardinal Lehmann dankte
Simon Tull herzlich für sein Engagement und seinen oft bis an die eigenen
Grenzen gehenden Einsatz für die Menschen, für die er bei der Caritas
Verantwortung trug: Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verbandes in
gleichem Maße wie für die, denen der Caritasverband durch seine Arbeit ein
Stück Hoffnung und Zuversicht schenken konnte. „Sie dürfen stolz auf das sein,
was Sie geleistet
und aufgebaut haben“,
so Lehmann wörtlich, bevor er Tull die Dankmedaille überreichte, die ihm der
Deutsche Caritasverband verliehen hatte.
Tull selbst nahm die Auszeichnung
bescheiden im Namen seiner Mitarbeiter an. „Kein Leiter kann besser sein als
die Summe seiner Mitarbeiter“, sagte er.
Rathausplakette der Stadt Offenbach
Caritas müsse der Dampf sein in
der sozialen Maschine, die Pfadfinderin für gesetzliche staatliche Maßnahmen.
Diese von Lorenz Werthmann, dem Gründer des Deutschen Caritasverbandes, formulierte
Vorgabe habe Tull glänzend verwirklicht, sagte
Stadtverordnetenvorsteher Manfred Wirsing. Er würdigte ausdrücklich das
bestehende Sozialstaatsmodell, nach dem die freien Wohlfahrtsverbände gemeinsam
mit dem Staat Verantwortung insbesondere für benachteiligte Bürger tragen.
Vorrangige Träger konkreter Hilfsmaßnahmen seien danach die Wohlfahrtsverbände,
die der Staat dabei unterstützen müsse, rief er in Erinnerung. Den Kirchen und
den Wohlfahrtsverbänden dankte er ausdrücklich dafür, dass sie den Staat in die
Pflicht nehmen, bevor er auf Tulls Engagement in diesem Sinne zu sprechen kam.
Der scheidende Caritasdirektor habe mit Bescheidenheit und Überzeugungskraft
die Interessen derer vertreten, die zu den Benachteiligten in unserer
Gesellschaft zählen. Es werde nicht leicht sein, die Lücke zu schließen, die
Tull mit seinem Ausscheiden hinterlasse. In Anerkennung seiner großen Verdienst
überreichte er ihm die Rathausplakette, mit der die Stadt Offenbach ihre verdienten
Persönlichkeiten auszeichne.
Gute Zusammenarbeit mit anderen Wohlfahrtsverbänden
Für die Liga der Freien
Wohlfahrtsverbände in Stadt und Landkreis Offenbach würdigte Manfred Glaub, der
Geschäftsführer des Diakonischen Werkes, Tulls Eintreten für die, „die sich nicht
zu Wort melden können“. Zugleich dankte er ihm für die gute Zusammenarbeit zu
diesem Ziel in der Liga.
Schatten nur, weil es die Sonne gibt
Weihbischof Guballa hatte in
seiner Predigt während des Gottesdienstes Tull als einen Mann bezeichnet, dem
es wichtig ist, sich um die Würde des Menschen zu sorgen. Er habe das Vertrauen
in die Menschen nie aufgegeben, auch wenn er enttäuscht worden sei. Wer um der
Menschen willen unterwegs sei, erlebe auch die Schatten. „Wir wissen aber, dass
es den Schatten nur gibt, weil es die Sonne gibt“, sagte der Weihbischof.
33 Jahre in Diensten der Caritas
Simon Tull, der in
diesen Tagen sein 65. Lebensjahr vollendet, wurde als Sohn volksdeutscher
Eltern in Deronje (im ehemaligen Jugoslawien) geboren und ist zusammen mit seinen
Eltern im Alter von vier Jahren nach Deutschland vertrieben worden. Aufgewachsen
ist er im Raum Ulm. Nach der mittleren Reife absolvierte er eine kaufmännische
Lehre und arbeitete in einem Metallgroßhandel. Am Abendgymnasium in Mainz
machte er 1966 Abitur und schloss ein Studium der Psychologie an der Mainzer
Universität an, das er 1971 mit der Diplomprüfung abschloss. Von nun an zog es
ihn in die Sozialarbeit. In Wiesbaden arbeitete er als Heimleiter und beim Jugendamt.
Seit 1973 steht er in Diensten der Caritas - zunächst als Diplompsychologe in
und seit 1975 auch als Geschäftsführer der Beratungsstelle des Verbandes Katholischer
Einrichtungen der Heim- und Heilpädagogik – Arbeitsgemeinschaft in den Diözesen
Fulda, Limburg und Mainz. Von 1980 bis 1983 war Tull Direktor und Gesamtleiter
des Johannisstiftes in Wiesbaden. 1984 ging er als Leiter der Abteilung Familie
und Jugend zum Diözesancaritasverband nach Köln, bevor er am 1. Juli 1990
Geschäftsführer des Caritasverbandes Offenbach wurde.
J. Otto Weber