Mainz. – „Caritas ist in ihren vielen Gestalten so
alt wie die Kirche. Sie wurzelt im Evangelium Jesu Christi und ganz besonders
in seiner Botschaft für die Armen.“ Das sagte Kardinal Karl Lehmann in seiner
Festrede bei der Feier des neunzigjährigen Bestehens des Caritasverbandes für
die Diözese Mainz am 15. September in der Katholischen Fachhochschule in Mainz.
Neu sei bei der Gründung des Verbandes vor neunzig Jahren am 3. Juli 1917 durch
Domkapitular Dr. Ludwig Bendix gewesen, dass man bewusst die „“Ineinanderarbeit“
all derer fördern wollte, die sich in ganz verschiedener Weise der Armen und
Benachteiligten annahmen“. Die damals längst bestehenden sozialen Aktivitäten
und Einrichtungen in der Kirche seien mit dem Ziel einer gegenseitigen
Abstimmung, einer wechselseitigen Stärkung und einer stetigen Verbesserung
unter einem gemeinsamen Dach zusammengeführt worden, sagte Lehmann. Es sei der
Beginn systematischer Planung und Entwicklung fachlicher Caritashilfe bis zur
Höhe der heutigen Qualität gewesen. Dr. Peter Neher, der Präsident des Deutschen
Caritasverbandes, nannte im zweiten Festvortrag die „Verhütung von Armut“ das
vorrangige Ziel der Arbeit der Caritas in Deutschland,
Als Vorstandsvorsitzender begrüßte
Diözesancaritasdirektor Domkapitular Hans-Jürgen Eberhardt die mehr als hundert
Gäste – überwiegend Repräsentanten der verbandlichen Caritasarbeit in der Diözese.
Unter ihnen waren auch der langjährige frühere Diözesancaritasdirektor Günter
Emig und die beiden Nachfolger Jürgen Nabbefeld und Mario Junglas, der heute zusammen
mit dem Präsidenten die Interessen der Deutschen Caritas bei der
Bundesregierung in Berlin vertritt.
Der Diözesancaritasverband werde Ende dieses Jahres
aus der Innenstadt in den Stadtteil Bretzenheim umziehen, sagte Diözesancaritasdirektor
Peter Deinhart, der durch die Veranstaltung führte. Die Katholische Fachhochschule
liege auf halbem Weg zwischen dem alten und dem neuen Standort. Nicht zuletzt
deshalb habe man sie als Ort für die Festveranstaltung gewählt. Darüber freute
sich Professor Dr. Peter Löcherbach. Als Rektor der Fachhochschule hieß er in
einem Grußwort die Festversammlung herzlich willkommen.
Zwei Ministerinnen gratulierten
Die
Glückwünsche ihrer jeweiligen Landesregierungen überbrachten die beiden
Sozialministerinnen von Rheinland-Pfalz und Hessen, Malu Dreyer und Silke
Lautenschläger. Dem Caritasverband gebühre „Dank und Anerkennung“, sagte
Dreyer. Er verbinde betriebswirtschaftliches Know How mit der Herzenswärme der
Caritas. Wie ihre hessische Kollegin Lautenschläger versicherte sie im Namen ihrer
Landesregierung, weiterhin gut mit der Caritas zusammenarbeiten zu wollen.
Lautenschläger nannte die Caritas einen der wichtigen Träger und Gestalter der
sozialen Arbeit.
Über
15.000 Ehrenamtliche
Dass der Dienst der Caritas nicht nur aus Hauptamtlichen und
professionellen Ausgebildeten besteht, sondern in allen Bereichen viele
Ehrenamtliche umfasst, nannte Lehmann eine von je her herausragende eigene
Note. „Ohne das vielfältige ehren- und hauptamtliche Engagement tausender
Frauen und Männer in Verbindung mit dem Caritasverband wäre unsere Kirche und
unsere Gesellschaft sehr viel ärmer. Sie alle geben der Kirche ein Gesicht“,
sagte Lehmann. Neben Glaubensunterweisung und Gottesdienst sei die Caritas
Kernbestand allen kirchlichen Handelns. Zusammen mit den über 9.000
hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Caritas
engagierten sich mehr als 15.000 Menschen
ehrenamtlich. Mit denen zusammen, die ihre Hilfe erfahren, seien sie „ein
wahrer Schatz der Kirche“.
Anwalt
der Armen
Die Caritas müsse, so Lehmann, Anwalt der Armen, Benachteiligten und Bedürftigen
sein und immer mehr werden. Als besonders vordringlich nannte er die Beratung
zum Leben, besonders für Frauen in Not- und Konfliktsituationen, das Eintreten
für sogenannte „illegale“ Menschen, die in Vergessenheit zu geraten drohen, und
das Teilnehmen an Präventionsprogrammen - besonders im Blick auf Suchtabhängigkeiten.
Kinder,
Jugendliche, Frauen und Familien stärken
Den Einsatz für Menschen mit Migrationshintergrund und eine verbesserte
Integration nannte auch Caritaspräsident Dr. Neher eine vorrangige Aufgabe. Er
wies darauf hin, dass die Kirche und ihre Caritas sich seit Jahrzehnten für
eine verbesserte Integration und faire Zuwanderungsgesetze einsetzen. In den
letzten Jahren erst sei von de politisch Verantwortlichen akzeptiert worden,
dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Eine weitere vordringliche gesellschaftliche
Aufgabe sah Neher in der Stärkung von Kindern, Jugendlichen, Frauen und Familien.
Nach dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung seien Frauen im
Rentenalter, alleinerziehende Mütter und Väter sowie Familien mit mehreren
Kindern besonders von Armut betroffen. Fast zwei Millionen Kinder und
Jugendliche unter 15 Jahren lebten in Deutschland auf sogenanntem
Grundsicherungsniveau. Folgen von Armut seien Ausgrenzung, ein höheres
Gesundheitsrisiko durch mangelnde Ernährung und schlechtere Bildungschancen.
Daraus folgten wiederum weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Eines der wichtigsten
sozialpolitischen Ziele müsse deshalb die Verhütung von Armut und die Förderung
von Bildung bei Kindern und ihren Familien sein.
Dienst
der Caritas – Auftrag der Kirche
Der Dienst der Caritas, so Neher, sei ein Auftrag der ganzen Kirche. Er
erinnerte an die erste Enzyklika von Papst Benedikt XVI.
„Deus Caritas est“.
Darin heiße es: Die in der
Gottesliebe verankerte Nächstenliebe sei zunächst ein Auftrag an jeden einzelnen
Gläubigen, aber zugleich auch ein Auftrag an die gesamte kirchliche
Gemeinschaft.. Die Kirche könne den Liebesdienst so wenig ausfallen lassen wie
Sakrament und Wort. Liturgie, Verkündigung und Dienst am Nächstens seien
untrennbar miteinander verbunden. Neher bekannte sich aber auch dazu, dass die
Caritas zugleich Partner und Mitgestalter im Sozialstaat sei. Wie zuvor
ausführlich Kardinal Lehmann, erinnerte Neher an den großen Mainzer
Sozialbischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler, dessen 130. Todestag in diesem
Jahr begangen wurde. Er habe zum Beispiel betont: „Unsere Religion ist nicht
wahrhaft katholisch, wenn sie nicht sozial ist.“
Podiumsdiskussion
um Spannungsfelder
Die durch schwungvolle und erfrischende Musikstücke der Band des
Theresien- Kinder- und Jugendhilfezentrums in Offenbach unter Leitung von Rene
Rudisile kurzweilig gestaltete Festveranstaltung wurde abgeschlossen mit einer
Podiumsdiskussion. Unter der zupackenden Leitung der langjährigen
Rundfunkredakteurin beim Hessischen Rundfunk, Ulrike Holler, diskutierten die
Vizepräsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Schwester Edith Maria Magar,
Waldbreitbach, Prof. Dr. Ralf Haderlein vom RheinAhrCampus Remagen, Kardinal
Lehmann und Caritaspräsident Dr. Neher zum Thema „Perspektive Caritas“. Unter
vielem Anderen wurde dabei auch angesprochen das Spannungsfeld zwischen
wirtschaftlicher Rendite und kirchlichem Auftrag. „Wir könnten mit
Schönheitschirurgie viel mehr verdienen als mit der Einrichtung eines Hospizes,
nannte Schwester Marga, die auch Aufsichtsratsvorsitzende einer großen
Krankenhaus- und Heimträgergesellschaft ist, ein drastisches Beispiel. Weil man
den
kirchlichen Auftrags ernst nehme
und weil es um die Würde des Menschen gehe, habe man sich für das Hospiz
entschieden, sagte sie. Wie zuvor schon Präsident Neher, hat auch Kardinal
Lehmann eine Annäherung von Gemeinde, die häufig vom Mittelstand geprägt sei,
und Caritas, die sich für Arme und Benachteiligte engagiert, gefordert. Zum
Verhältnis Staat und Kirche erinnerte Prof. Haderlein an den verstorbenen
Bundespräsidenten Johannes Rau, der gesagt habe, der Staat räume der Kirche
einen Freiraum ein. Das solle genutzt werden..
J. Otto Weber