Hessen / Gießen. – Mit dem Appell „Investieren Sie in Menschlichkeit“ eröffnete der Bischof von Mainz und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, die Caritas-Sammlung, die in Hessen vom 6. bis 12. Juni stattfindet. Es sei urchristliche Praxis, so der Kardinal, durch Sammlungen einen Ausgleich zwischen Arm und Reich herbeizuführen. Schon in der Apostelgeschichte und den Paulusbriefen sei davon die Rede. Die Eröffnung der Caritas-Sammlung fand in einem Zelt im Sozialen Brennpunkt „Eulenkopf“ in Gießen statt, in dem der Caritasverband Gießen seit vielen Jahren eine Kindertagesstätte unterhält, Hausaufgabenhilfen für Kinder und Jugendliche anbietet und den Bewohnern mit ständiger sozialer Beratung und Begleitung zur Seite steht. Am „Eulenkopf“ sei die Arbeit der Caritas stark spürbar, so der Giessener Oberbürgermeister Heinz-Peter Haumann bei der Sammlungseröffnung. Mit viel Aufwand leiste der Caritasverband gute Arbeit zum Vorteil aller Bewohner – angefangen von den Kindern bis zu den Senioren. Bei der Sammlungseröffnung ehrte Kardinal Lehmann 65 Damen und Herren, die sich seit vielen Jahren große Verdienste um die Caritassammlungen erworben haben, mit einer Dankurkunde. Durch ihr selbstloses Spendensammeln von Haustür zur Haustür, das häufig nicht einfach sei, machten sie Not öffentlich. Dafür danke er ihnen, sagte Kardinal Lehmann.
Die Bewohner des “Eulenkopf“ waren sichtlich stolz, dass der hohe Gast aus Mainz ihr Wohnviertel zur Eröffnung der Sammlung ausgewählt hatte. Unter anderem halfen sie mit bei Aufbau, Ausgestaltung und Bewachung des Zeltes, in dem der Kardinal zusammen mit Diözesancaritasdirektor Domkapitular Hans-Jürgen Eberhardt, den Dekanen Januarius Mäurer (Gießen), Rupert Rützel (Wetterau-Ost) und dem stellvertretenden Dekan von Alsfeld, Pfarrer Jerzy Dmytruk, einen Gottesdienst feierte. Im Einklang mit dem diesjährigen Jahresthema der Caritas in Deutschland appellierte der Kardinal an die anwesenden Politiker, Priester, Mitarbeiter der Caritas und alle, die in der Arbeitswelt Einfluss haben: „Arbeitslose brauchen Chancen statt Vorurteile“. Arbeit gehöre zum Sinn des Lebens. Sie verbinde Menschen miteinander und stelle sie in die Gemeinschaft hinein. Zu erfahren, dass man nicht gebraucht werde, sei dagegen eine schlimme Erfahrung. Den Gutsherr, der nach einem Gleichnis Jesu mehrmals am Tag Arbeiter für seinen Weinberg angeworben hat, stellte Lehmann als Vorbild hin. Er habe sich für die anderen interessiert und jedem eine Chance gegeben. Darauf komme es an und darum gehe es auch bei den Arbeitsprojekten der Kirche: Menschen Mut zu machen und Chancen zu geben. Wer dadurch zu einer Arbeit finde, dem erscheine dies wie „ein Licht in der Nacht“, sagte Lehmann.
Caritas – Anwalt der Benachteiligten
Der Gießener Caritasdirektor Bernhard Brantzen hatte zuvor unter den Gästen auch Regierungspräsident Wilfried Schmied, Landrat Rolf Gnadl vom Wetteraukreis, die Kreisbeigeordnete Dietlinde Elies vom Landkreis Gießen und Kreisbeigeordneten Wilfried Wurtinger vom Vogelsbergkreis begrüßt. Durch das Zelt inmitten des Wohngebietes fühlte er sich an das Zelt Gottes unter den Menschen erinnert und an Botschaft und Handeln Jesu: Mitten im Leben den Menschen zu begegnen. Der Caritasverband verstehe sich als Anwalt der kranken, pflegebedürftigen, der verschuldeten Menschen, der Migrantinnen und Migranten, der psychisch kranken und behinderten Menschen, der Kinder und Jugendlichen, der Menschen, die in unserer Gesellschaft am wenigsten eine Chance haben, betonte Brantzen zugleich im Namen seiner Vorstandskollegin, Caritasdirektorin Eva Hofmann.
Beratung von hohem Wert
Dietlinde Elies betonte in ihrem Grußwort angesichts zunehmender Armut den hohen Wert der Beratung, wie sie der Caritasverband anbiete. Beratung mache Mut und zeige Menschen in Not weiterführende Wege. Es sei den Kommunen eine Verpflichtung, die Caritas dabei zu unterstützen. Der Caritassammlung, deren Erlös teilweise auch für die der Sicherstellung der Beratung bestimmt ist, wünschte sie einen erfolgreichen Verlauf. Wie zuvor schon Oberbürgermeister Hauschild mit einem Barbetrag, unterstütze sie die Sammlung mit einem Scheck.
Überlebensstrategien in Arbeitslosigkeit
Mit einer Ausstellung kreativer Werke beteiligte sich die Arbeitsloseninitiative Gießen an der Veranstaltung. Der von der Caritas und der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) unterstützte Verein entwickelt Überlebensstrategien in der Arbeitslosigkeit und bietet neben Beratung und Treffpunkten für arbeitslose Menschen auch kreative Projekte an, erläuterte Martina Bodenmüller.
Der Gottesdienst wurde musikalisch gestaltet von Alfred Joswig mit seiner Bläsergruppe, Kantorin Stefanie Stiewe-Berk und Kantor Ralf Stiewe. Vom Publikum mit viel Beifall bedacht wurde die Trommelgruppe des Jugendwohnheims St. Stephanus “Die Erde“, die mit ihren rhythmischen Klängen der Eröffnung ein eigenes Flair bescherte. Für den Imbiss zwischen beiden Veranstaltungen hatte Manuela Schenk mit ihrem Team gesorgt, die im „Eulenkopf“ ein kleines Bistro betreibt, das mit Hilfe der Caritas auf die Beine gebracht wurde.
In Diözese Mainz über 800.000 Euro gesammelt
Bei
den beiden jeweils im Sommer und im Winter stattfindenden Caritassammlungen
wurden in der Diözese Mainz im vergangenen Jahr 2004 über 800.000 (819,594,66)
Euro gesammelt, davon über 600.000 (602.163,46) Euro im hessischen Teil der
Diözese (Südhessen und Mittelhessen). Die Hälfte des Geldes bleibt in den
Gemeinden zur unbürokratischen Linderung von Notfällen und zur Organisation der
örtlichen Caritasarbeit. Die andere Hälfte wird dringend zur Unterstützung der
umfangreichen offenen Beratungstätigkeit gebraucht, die der Caritasverband
allen Menschen in materieller oder psycho-sozialer Not anbietet.
Bei den Caritas-Sammlungen engagieren sich im hessischen Teil der Diözese Mainz mehr als 3.000 Frauen und Männer. Vielerorts wird die Sammlung noch als Haustür-Sammlung durchgeführt. In immer mehr Gemeinden greift mit gutem Erfolg die neue Form der Sammlung durch Briefkastenwerbung Platz, da insbesondere in Ballungsgebieten die Menschen nur schwer zu vertretbaren Zeiten persönlich zu erreichen sind.
Im rheinland-pfälzischen Teil der Diözese Mainz (Rheinhessen und Worms) wurde die Sammlung bereits am 27. Mai abgeschlossen.
J. Otto Weber