Mainz. Jeder Abschiebungshäftling sollte das Recht auf einen Pflichtverteidiger haben. "Es kann nicht sein, das Menschen in Abschiebungshaft im Gegensatz zu Menschen im Strafvollzug ohne jeglichen Rechtsbeistand auskommen müssen", sagte Diözesancaritasdirektorin Nicola Adick am Mittwoch anlässlich der Jahresauswertung der Arbeit des Caritas-Beratungsprojekts in der Abschiebungshaft in Ingelheim. "Im vergangenen Jahr konnten wir wieder 33 Menschen, die in Ingelheim inhaftiert waren, bei rechtlichen Interventionen unterstützen. Bei 19 Personen, führte dies zu einer Entlassung aus der Haft."
Laut Auswertung wurden von den 33 Fällen 11 Menschen in ihr Herkunftsland abgeschoben, 3 wurden in ein anderes EU Land zurückgeführt, eine befand sich noch in Haft. Bei den insgesamt 14 abgeschobenen Menschen wurde in 4 Fällen die angeordnete Haft im Nachhinein von einer höheren Gerichtsinstanz für rechtswidrig erklärt. Diese Menschen hätten somit nicht abgeschoben werden dürfen. Die längste Haft-dauer betrug 52 Tage, die kürzeste Haftdauer 7 Tage.
"Der Umgang mit Ausreisepflichtigen ist in vielen Fällen nach wie vor schwierig", kritisierte Adick. "Überwiegend handelt es sich nicht um Straftäter. Abschiebungshaft darf nur als allerletztes Mittel angeordnet werden. Sie darf nach dem EUGH Urteil vom 10. März 2022 auch nie wie eine Strafhaft vollzogen werden, d.h. sie muss sich im Ablauf und in den baulichen Gegebenheiten unterscheiden."
Die Caritas kritisiert weiterhin, dass es für Menschen in Abschiebungshaft immer noch keinen Anspruch auf einen Pflichtverteidiger gibt. "Unsere Auswertung zeigt aber, dass viele Menschen zu Unrecht inhaftiert sind. Daher ist die unabhängige Beratung der Caritas, die innerhalb der Mauern der Abschiebungshaft erfolgt, weiterhin dringend notwendig", so Denise Honsberg-Schreiber, Beraterin in der Abschiebungshaft in Ingelheim.
Der Rechtshilfefonds unterstützt die Abschiebungshäftlinge durch die Finanzierung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, damit diese fristgerecht intervenieren können. Das kann an Hand von Einzelfällen belegt werden: 1. Bei einer Frau aus Mali attestierte ein Gutachten, dass Sie eine Beschneidung erlitten hatte. Dieses Gutachten wurde aber erst nach ihrem Asylverfahren fertiggestellt. Hier konnte mit einem Asylfolgeantrag, einer Haftbeschwerde sowie einem Eilantrag und einer Klage zu einer Entlassung verholfen werden. Innerhalb der Haft stellte sich zudem noch heraus, dass die Frau schwanger war. Ihr Leidensweg konnte durch die Entlassung beendet werden. 2. Eine Nigerianerin, deren gesamte Familie in Deutschland lebt und sie selbst seit 13 Jahren, sollte allein abgeschoben werden, obwohl keine Familie mehr im Heimatland lebte. Die Schwester, mit der Sie geflohen war, war von Menschenhandel betroffen. Die Rechtsanwältin begleitete Sie zur Anhörung und es erfolgte eine Freilassung. Bei einer später eingereichten Klage wurde die aufschiebende Wirkung vom Gericht an-geordnet. 3. Ein Georgier, der in mehreren EU-Ländern bereits als Einreisender registriert war, sollte nach Dänemark rücküberstellt werden. Er war behindert und konnte deshalb nur langsam an Krücken gehen. Durch die Haftbeschwerde konnte der Haftbeschluss als rechtswidrig erklärt werden, da nur eine einstweilige Anordnung und keine Haupt-sacheentscheidung beantragt worden war. Er konnte deshalb entlassen werden.
Das unabhängige Beratungsprojekt in der Abschiebungshaft in Ingelheim, besteht seit 21 Jahren und wird seit 2022 vom Caritasverband Mainz durchgeführt. Der Caritasverband für die Diözese Mainz finanziert neben der Beraterinnenstelle auch den Caritas-Rechtshilfefonds zur Finanzierung von Rechtsberatung. Insgesamt investiert die Caritas hier mehr als 45.000 Euro pro Jahr.