07.
Juni 2011
Inklusion beginnt im Kopf
Beim Auftakt der Caritas-Sommersammlung
stehen Menschen mit Behinderungen im Mittelpunkt / Minister Grüttner lädt
Sozialverbände zur Mitwirkung an Aktionsplan ein
Seligenstadt.
Zum
Auftakt der Caritas-Sommersammlung im Bistum Mainz haben Vertreter der Caritas
für mehr Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen geworben.
„Gerade Menschen mit Behinderung machen oft die Erfahrung, dass sie wegen
mangelnder Perfektion ausgegrenzt werden“, sagte Diözesancaritasdirektor Thomas
Domnick bei der Vorstellung der Caritas-Jahreskampagne „Kein Mensch ist perfekt
– Behinderte Menschen – Menschen wie du und ich“ im Gemeindezentrum der Pfarrei
St. Mariä Verkündigung.
Wer
behinderte Menschen auf ihre Behinderung reduziere, mache sie zu „Exoten“,
sagte Domnick. Die Begegnung von behinderten und nichtbehinderten Menschen im
Alltag helfe einen unbefangenen Umgang miteinander einzuüben, der zwar die Einschränkung
wahrnimmt, sie aber nicht in den Mittelpunkt stellt. Gelingende Inklusion sei
ein Prozess, auf den sich die ganze Gesellschaft einlassen müsse. „Inklusion beginnt
im Kopf.“
Rahmenvereinbarung verbindlich weiter entwickeln
Domnick
betonte, dass der Weg zu einer selbstbestimmte Teilhabe, so wie sie die
UN-Behindertenrechtskonvention fordere, noch weit sei. So bestehe in Hessen
zwar seit Jahren eine Rahmenvereinbarung zu Integrationsplätzen in
Kindertagesstätten mit den kommunalen Spitzenverbänden. „Auch wenn diese
bundesweit Vorbildcharakter hat, muss doch festgestellt werden, dass immer mehr
Kommunen aus dieser Rahmenvereinbarung aussteigen und eigene – kostensparendere
Wege gehen“ kritisierte Domnick. Gerade hier wäre es notwendig, Gespräche zur
Verbindlichkeit oder der Weiterentwicklung der Rahmenvereinbarung zu führen.
Der
Hessische Sozialminister, Stefan Grüttner, betonte, dass die Hessische Landesregierung
„erhebliche Anstrengungen“ unternehme, um Menschen mit Behinderungen
Teilhabemöglichkeiten zu sichern. So sei Anfang des Jahres eine Stabsstelle zur
Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention eingerichtet worden. Die Sozialverbände
lud er dazu ein, an der Erarbeitung eines Aktionsplans für Menschen mit Behinderungen
mitzuarbeiten. „Es ist wichtig, dass wir uns verständigen, wie zu handeln ist,
dass die Prioritäten im Konsens erarbeitet werden und dieser von allen getragen
wird“, sagte der Minister.
Deutschland ist ein Entwicklungsland
Betroffene
kritisierten, dass auf dem Weg zu mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
noch nicht viel erreicht wurde.
„Deutschland ist ein Entwicklungsland“, sagte Isolde Meffert, Leiterin
einer Seniorengruppe Gehörloser in Mainz. So gebe es kaum untertitelte
Fernsehsendungen. Auch die Einführung persönlicher Budgets für Menschen mit
Behinderung hätte nicht zu mehr Teilhabe geführt. „Die Kosten für den Gehörlosen-Dolmetscher
sind nicht budgetfähig“, sagte Meffert.
Evelin
Schönhut-Keil, erste Beigeordnete des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen,
forderte, dass Kindertagesstätten und Schulen sich gezielter auf die
Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen einstellen müssen. Der
Landeswohlfahrtverband fördert personennahe Hilfe, um die Angebote stärker an
den Bedürfnissen der Behinderten auszurichten.
Laura
Wurzel, Abiturentin, schilderte die Schwierigkeiten, die sie in den Regeleinrichtungen
Kita, Grundschule und Gymnasium erlebte. Es kostete sie und ihre Eltern viel
Kraft und Überzeugungsarbeit, um sie die Regeleinrichtungen besuchen konnte. Sie
warb für einen Mentalitätswechsel, damit Kinder, die wie sie mit einer
Behinderung aufwachsen, ganz selbstverständlich die Regelschulen besuchen
dürfen. Laura Wurzel ist davon überzeugt, dass alle profitieren, wenn Behinderte
und Nichtbehinderte gemeinsam lernen: „Kinder die mit mir in einer Klasse
waren, haben kein Problem mehr mit behinderten Menschen.“
Weihbischof
Dr. Werner Guballa, rief im Gottesdienst zur Eröffnung der Caritas-Sommersammlung
dazu auf, die Barrieren in den Köpfen niederzureißen
: „
Wenn wir einen Menschen nur mit unserem Maßstab annehmen,
wir ihn erst durch unser Urteil voll gültig Mensch sein lassen, dann nehmen wir
nie die Botschaft wahr, die in ihm lebt und von der wir lernen könnten“, sagte
er in seiner Predigt.
Hinweis:
Die Caritas-Sommersammlung
wird in Hessen und Rheinland-Pfalz vom 06. bis zum 16. Juni in den Pfarrgemeinden
der Diözese durchgeführt. Mit der Botschaft „ Weil spenden gut tut“ sind alle
eingeladen, die Arbeit der Caritas für Menschen in Not durch ihre Spende zu fördern.
(ond)