Pressemitteilung des Caritasverbandes für die Diözese Mainz
20. Oktober 1999
Hessischer Präventionspreis an Beratungsstelle
der Caritas Offenbach
Psychologische Beratungsstelle Seligenstadt teilt sich hohe Auszeichnung
mit Frankfurter Schule
Hessen/Offenbach/Frankfurt. - Beim ersten Hessischen Präventionstag wurde
in Anwesenheit von Justizminister Dr. Christian Wagner zum zweiten Mal
der Hessische Präventionspreis vergeben. Anliegen des vom Landespräventionsrat
der Hessischen Landesregierung erstmals in Frankfurt am 20. Oktober 1999
veranstalteten Tages war es, Projekte zur Vorbeugung von Gewalt und Kriminalität
vorzustellen und damit weitere Projekte dieser Art anzuregen. Mit dem
Hessischen Präventionspreis ausgezeichnet wurde dabei die Seligenstädter
Psychologische Beratungsstelle des Caritasverbandes Offenbach für Eltern,
Kinder und Jugendliche und die Heinrich-Kraft-Schule in Frankfurt. Beide
Preisträger bekamen einen mit je 2.500 DM dotierten Preis, den die Nassauischen
Heimstätten gestiftet hatten.
Die Seligenstädter Beratungsstelle des Caritasverbandes Offenbach habe
eine besondere Auszeichnung verdient, sagte Prof. Dr. Iring Fetscher als
Vorsitzender der Hessischen Sachverständigenkommission für Kriminalprävention
in seiner Laudatio. In mehr als 5jähriger kontinuierlicher Arbeit habe
die Beratungsstelle tausenden von Kindern im gesamten Ostteil des Landkreises
Offenbach ein an den Grundwerten der Verfassung orientiertes Wertesystem
vermittelt. Sie habe dabei intensiv mit Erzieherinnen und Erziehern in
den Kindertagesstätten wie mit den Lehrerinnen und Lehrern in den Grundschulen
zusammengearbeitet, über 400 von ihnen teamweise praxisorientiert in Kursen
weitergebildet und so befähigt, die Werte mit den Kindern und über eine
intensive Elternarbeit auch mit den Eltern im Leben einzuüben. Stets habe
die Beratungsstelle ihre Arbeit kritisch überprüft und ständig verbessert.
Und sie habe über die Zusammenarbeit mit Erziehern und Lehrern Wege gefunden,
möglichst unkompliziert auch mit Kindern zu arbeiten, die "rückfällig"
geworden, die den Weg des gewaltfreien Umgang miteinander verlassen hätten.
Die Arbeit der Caritas-Beratungsstelle Seligenstadt sollte weit über die
Grenzen Hessens hinaus bekannt und wirksam werden, wünschte Prof. Fetscher.
Bei der Heinrich-Kraft-Schule würdigte Prof. Fetscher, daß sie es in
großartigem Engagement von Lehrern in starker Zusammenarbeit mit den Eltern
und unter Einbeziehung auch von psychologischem Sachverstand der Polizei
mit ihrem Projekt "Zivilcourage / Gewaltprävention / Mediation" geschafft
habe, unter den Schülern ein überwiegend gewaltfreies Miteinander entstehen
zu lassen. Dass an der kooperativen Gesamtschule mit hohem Ausländeranteil
Türkisch ganz regulär als zweite Fremdsprache angeboten werde, zeige zum
Beispiel etwas von der Wertigkeit, die man anderen Kulturen zumesse, meinte
Fetscher.
Zuvor hatte in einem Grußwort der hessische Justizminister Dr. Christian
Wagner Prävention als einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Gewalt
und Kriminalität bezeichnet, als einen Beitrag aber auch zu mehr Eigenverantwortung
und Gemeinsinn. Der erste Hessische Präventionstag wolle den Blick auf
die vielen tausend Menschen im Land lenken, die sich auf vielfältige Weise
für verschiedene Arten von Prävention engagierten.
Mancher werde sich fragen, was ein Wohnungsunternehmen wie die Nassauische
Heimstätte bewege, einen Präventionspreis zu stiften, sagte deren Leitender
Geschäftsführer Reinhart Chr. Bartholomäi. "Wir tun dies im Interesse
unserer Mieter", die etwas älter seien als der Durchschnitt der Bevölkerung
und auch etwas hinfälliger. Sie alle hätten Angst vor Gewalt und Kriminalität,
über die sie aus den Medien recht vieles erfahren erführen. Darum sei
es der Heimstätte etwas Wert, sowohl die Menschen zu fördern, die etwas
gegen Gewalt und Kriminalität tun, als auch mitzuhelfen, dies bekannt
zu machen, sagte Bartholomäi, bevor er die Preise an Franz-Werner Müller,
den Leiter der Seligenstädter Caritas-Beratungsstelle, und an den Schulleiter
der Frankfurter Heinrich-Kraft-Schule überreichte.
"Abenteuer Konflikt" - die Präventionsarbeit der Beratungsstelle Seligenstadt
Die Anfänge der Präventionsarbeit der Psychologischen Beratungsstelle
für Eltern, Kinder und Jugendliche in Seligenstadt liegen 20 Jahre zurück,
informierte Franz-Werner Müller bei der Präsentation des Projektes "Abenteuer
Konflikt". Damals bereits habe man begonnen, in Kindertagesstätten und
Schulen einzelne Vorträge zur Gewaltprävention zu halten. Auf Anregung
von Erzieherinnen habe man vor sechs Jahren aus verschiedenen Einzelbausteinen
eine Gesamtkonzeption geschmiedet, die seitdem stets weiter verbessert
werde.
Sie sieht zum einen eine Werteordnung vor, die für Kinder und Erwachsene
in gleichem Maße plausibel wie verbindlich ist. Nachdem religiöse und
traditionelle Werte längst nicht mehr von allen als verbindlich akzeptiert
werden, haben Müller und sein Team der Beratungsstelle nach anderen Maßstäben
gesucht und sie schließlich im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
gefunden. "Die Würde des Menschen ist unantastbar" heißt es da zum Beispiel.
Das bedeutet auch für Kinder, daß sie die Würde eines anderen Kindes verletzen,
wenn sie es schlagen oder beschimpfen. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit
findet da ihre Grenzen, wo die Rechte anderer verletzt werden. Danach
geht es nicht, daß Kinder, die mit demselben Spielzeug spielen wollen,
sich dieses gegenseitig entreißen. Nach dem Grundgesetz ist die körperliche
Unversehrtheit zu schützen, das Eigentum anderer zu achten und die Schöpfung
zu bewahren - Werte, die für Erwachsene gelten, die auch schon Kindern
vermittelt werden können.
In vielen Kursen, die jeweils sechs Nachmittage umfassen, hat die Beratungsstelle
inzwischen mit mehr als 400 Erzieherinnen und Erziehern, Lehrerinnen und
Lehrern aus dem ganzen östlichen Landkreis Offenbach erfolgreich Wege
erarbeitet, wie diese Werteordnung Kindern, aber auch deren Eltern vermittelt
werden kann. Vom Kindergarten- bis zum Grundschulalter finden die Kinder
eine gleichartige Wertordnung vor. Zugleich steht die Beratungsstelle
mit allen Kindertagesstätten und Grundschulen - an eine Ausweitung an
weiterführende Schulen ist gedacht - in lebendiger Zusammenarbeit.
Müller legt aber auch Wert auf die Feststellung, daß die Präventionsarbeit
weniger als 30 Prozent der Gesamtarbeit der Beratungsstelle ausmacht.
Schwerpunkt des achtköpfigen Teams der Beratungsstelle ist noch immer
die Arbeit mit Kindern und Familien. Durch die jahrelange Präventionsarbeit
geht die Zahl der Einzelberatungen zurück, weil weniger Kinder verhaltensauffällig
werden. Und durch die gute Zusammenarbeit mit den Kindertagesstätten und
Schulen kommen die Kinder leichter und früher in die Beratung, was vieles
einfacher macht. Nach wie vor ist die Beratung für Kinder und ihre Eltern
kostenfrei. Sie finanziert sich aus öffentlichen Zuschüssen, Spenden und
Eigenmitteln des Caritasverbandes.