Wiesbaden. – Unter den über 45.000 Menschen, die in Wiesbaden am 18. November gegen die drastischen Sparvorhaben der hessischen Landesregierung demonstrierten, waren auch viele Vertreter von Caritas, Diakonie und den anderen Verbänden der freien Wohlfahrtspflege. „Hier demonstriert das soziale Gewissen Hessens“, stellte der DGB-Landesvorsitzende Stefan Kürzell bei der Abschlusskundgebung vor dem Hessischen Landtag fest. „Wir wollen keine Politik der sozialen Kälte, bei der diejenigen auf der Strecke bleiben, die auf die Hilfe des Staates angewiesen sind, weil sie arbeitslos, allein erziehend, verschuldet sind oder Drogenprobleme haben“. Dr. Wolfgang Gern, der Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks in Hessen und Nassau, war als Sprecher der Wohlfahrtsverbände in großer Sorge um die Menschen, denen nach Umsetzung der Sparbeschlüsse nicht mehr oder nur noch eingeschränkt geholfen werden kann. „Wie wollen wir den sozialen Frieden bewahren, wenn das Soziale Netz zur Marginalie wird? fragte er und sagte entschlossen „Nein“ zur Zerstörung des sozialen Hilfenetzes.
Beide Redner stellten fest, dass von den Sparvorhaben der Landesregierung die Reichen und Leistungsfähigen im Lande nicht betroffen sind, während alle anderen belastet werden sollen. Je ärmer die Menschen sind, desto stärker werden sie von den Sparvorhaben betroffen werden. Wolfgang Gern: „Wir beobachten mit Sorge, dass aus der Wertegesellschaft eine Wertpapiergesellschaft geworden ist“. Nach Berechnungen des DGB werden in Folge der Sparvorhaben in Hessen 15.800 Arbeitsplätze wegfallen, davon über 1000 im Sozialen Bereich. Unter tosendem Beifall der Demonstranten appellierten beide Redner immer wieder an Ministerpräsident Roland Koch und die hessische Landesregierung, die Sparbeschlüsse zurückzunehmen. Und wenn Koch frage, wie das zu finanzieren sei, gebe es eine mögliche Antwort: Wiedereinführung der Vermögens- und Erhöhung der Erbschaftssteuer.
Stundenlang war der Verkehr in der Wiesbadener Innenstadt durch die Demonstration lahm gelegt, die sich von drei Sammelplätzen aus in mehreren Zügen zum Platz vor dem Hessischen Landtag bewegte. Zu der Demonstration aufgerufen hatten der DGB und mehrere Einzelgewerkschaften sowie das Bündnis „Soziale Gerechtigkeit in Hessen“, zu dem sich Wohlfahrts-, kirchliche und weitere im Sozialen engagierte Verbände zusammen geschlossen haben.
J. Otto Weber