Nr.
10/2010,
31.
Mai 2010
Caritas und Diakonie setzen sich für
humanitäre Bedingungen in Abschiebehaft ein
Rechtshilfefonds Ingelheim – Verbände ziehen kritische
Bilanz
Frankfurt am Main/Mainz/Ingelheim.
Der Caritasverband für die Diözese Mainz e.V. und das
Diakonische Werk in Hessen und Nassau e.V. (DWHN) werden sich auch weiterhin
für humanitäre Haftbedingungen in der Abschiebungshaft Ingelheim einsetzen. Das
haben Diözesancaritasdirektor Hans-Jürgen Eberhardt und der Vorstandsvorsitzende
des DWHN, Wolfgang Gern, bei der Vorstellung des Rechenschaftsberichts über den
von den Verbänden
eingerichteten
Rechtshilfefonds bekräftigt.
„Seit Jahren
gehen die Haftzahlen in Ingelheim zurück, die Probleme der inhaftierten Menschen
bleiben aber weiterhin sehr groß“, sagte Diözesancaritasdirektor Hans-Jürgen
Eberhardt bei der Vorstellung des Rechenschaftsberichts. Im Jahr 2009 wurden
insgesamt 66 Fälle bezuschusst. „In 29 Fällen, die von Rechtsanwälten
übernommen wurden, führte die
Intervention
unmittelbar beziehungsweise mittelbar zur Haftentlassung“, berichtete der
DWHN-Chef Wolfgang Gern. „Das sind Zahlen, die die beiden Innenministerien in
Mainz und Saarbrücken eigentlich aufrütteln müssten“, so Gern weiter.
Besonders
dramatisch war der Abschiebungsversuch einer dreiköpfigen Familie aus Weißrussland.
„Bei der versuchten Abschiebung brach die Ehefrau am Flughafen zusammen und
wurde in die Psychiatrie eingeliefert“, berichtete Hans-Jürgen Eberhardt. „Die
kranke Tochter sollte ebenfalls abgeschoben werden, obwohl sich ausführliche
ärztliche Stellungnahmen eindeutig dagegen ausgesprochen hatten.“
Nachdem der
erste Versuch gescheitert war, forcierte die zuständige Ausländerbehörde die
alleinige Abschiebung des Ehemannes, der in Ingelheim inhaftiert war. „Diese
behördlich angeordnete Familientrennung konnte erst durch einen Eilantrag
gestoppt werden“, sagte Gern. Das Verwaltungsgericht untersagte die Abschiebung
unter Hinweis auf Artikel 6 des Grundgesetzes, Schutz von Ehe und Familie.
„Hätte die Ausländerbehörde diesen Grundsatz
gleich
beachtet, wäre den betroffenen Menschen viel Leid erspart geblieben“, fasste
Gern den Vorgang zusammen.
Ein weiterer Kritikpunkt
der beiden Verbände ist die sogenannte Dublin II-Verordnung, die derzeit auf
der EU-Ebene evaluiert wird. Danach ist der EU-Staat für die Durchführung des
Asylverfahrens zuständig, in dem der Flüchtling zum ersten Mal registriert
wurde. „Wir können aber nicht nur fragen, über welches europäische Land die
Menschen zu uns gekommen sind, sondern warum sie ihr Heimatland verlassen
mussten“, so der Diözesancaritasdirektor.
Als eine
„Ohrfeige für den Gesetzgeber“ bezeichnete der Vorsitzende des Diakonischen
Werks in Hessen und Nassau die verschiedenen Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts,
mit denen die äußerst problematischen Zurückschiebungen nach Griechenland vorläufig
gestoppt wurden. „Es geht jetzt darum, die Aufnahmesituation in Griechenland
und anderen Europäischen Ländern nachhaltig zu verbessern und eine gerechtere
Verteilung der
Flüchtlinge auf
das Gebiet der Europäischen Union zu implementieren“ so Gern.
Seit 2001
engagieren sich der Caritasverband für die Diözese Mainz und das Diakonische
Werk in Hessen und Nassau in der Abschiebungshaft in Ingelheim und geben
jährlich einen Rechenschaftsbericht über den von den Verbänden eingerichteten
Rechtshilfefonds heraus.
Stichwort: Abschiebungshaft in Ingelheim
Die
Abschiebungshaft in Ingelheim existiert seit Mai 2001. Sie hat 152 Haftplätze,
zurzeit sind dort 30 Männer und Frauen inhaftiert. Eine fünf Meter hohe
Betonmauer trennt die Insassen von der Außenwelt. Durch die vergitterten
Fenster in den Innengebäuden fällt der Blick auf dreifachen Stacheldraht.
Stichwort: Rechtshilfefonds
Mit dem Rechtshilfefonds
werden Verfahren teilfinanziert, um die Verhängung von Abschiebungshaft zu
überprüfen oder andere asyl- und ausländerrechtliche Schritte einzuleiten. Der
Rechtshilfefonds wird von den Caritasverbänden Mainz und Limburg und den
Diakonischen Werken in Hessen und Nassau und der Pfalz aus Eigenmitteln und
Spenden finanziert.
Hinweis für
Journalisten:
Die
Pressemeldung wird gleichzeitig vom Caritasverband für die Diözese Mainz e.V. und
dem Diakonischen Werk in Hessen und Nassau e.V. herausgegeben
.
(ond)