Bistum Mainz. – Die 210 katholischen Kindertagesstätten im Bistum Mainz sollen sich als ein Mittelpunkt der jeweiligen Pfarrgemeinden verstehen, als Orte der Begegnung und Kommunikation zwischen Generationen, Kulturen und Religionen. Sie sollen Mütter und Väter bei der Erziehung, Bildung und Betreuung ihrer Kinder unterstützen, Kinder in ihrer geistigen, körperlichen, sozialen und religiösen Entwicklung fördern, sie zu Eigenverantwortung und sozialer Verantwortung erziehen, Eltern miteinander in Kontakt bringen und Solidarität fördern. Das sind einige Kernpunkte der neuen pastoralen Richtlinien, die nach intensiven Beratungen zu Beginn dieses Jahres vom Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann in Kraft gesetzt wurden. Bei ihrer ersten Vorstellung auf einer Fachtagung im Bildungszentrum Erbacher Hof in Mainz trafen die neuen Richtlinien auf große Akzeptanz der etwa 240 Teilnehmerinnen und Teilnehmer - Leiterinnen von Kindertagesstätten, Pfarrern und Trägervertretern aus dem ganzen Bistum Mainz.
Einen „Meilenstein“, ein „großartiges Ereignis“ nannte Domkapitular Hans-Jürgen Eberhardt, Dezernent für Caritas und Soziales, die Vorstellung der neuen pastoralen Richtlinien. Sie seien die Antwort auf geänderte gesellschaftliche Bedingungen. Er freute sich über die große Resonanz der Einladung zu der Fachtagung. Erarbeitet worden sind die neuen pastoralen Richtlinien durch eine kleine Arbeitsgruppe unter Leitung von Domkapitular Eberhardt, in der alle an den Kindertageseinrichtungen beteiligten Institutionen vertreten waren: Leiterinnen von Kindertagesstätten, Pfarrer, Träger, Bischöfliches Ordinariat und Diözesan-Caritasverband. Nach zweiter Lesung wurden sie einstimmig durch den Diözesanpastoralrat verabschiedet und von Bischof Lehmann zu Beginn dieses Jahres in Kraft gesetzt.
Die katholischen Kindergageseinrichtungen werden in den pastoralen Richtlinien in gleichem Maße als diakonische wie als religionspädagogische Herausforderungen und Chancen beschrieben. Die katholische Kindertageseinrichtung unterstützt und ergänzt die Erziehung, Bildung und Betreuung der Kinder, für die die Eltern verantwortlich bleiben. Dabei ist sie vom christlichen Menschenbild und seinen Wertvorstellungen geleitet. Dem entsprechend werden die Sorgen und Nöte von Familien ernst genommen und die Eltern aus dem Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung für die Kinder in die pädagogischen Prozesse einbezogen. Kinder und Familien sollen gegenseitige Hilfe, Solidarität und Gemeinschaft erfahren, insbesondere bei sozialer Ausgrenzung und Benachteiligung.
Offen für alle Kinder
Klar formuliert wurden die Pflichten der Pfarrgemeinde. Sie soll das Zusammenleben über Grenzen wie alt, arm und reich, gesund und krank hinweg fördern. Festgestellt wird, dass ein gelungenes Familienleben nicht nur vom guten Willen der Familienmitglieder abhängt. Vielmehr sind Rahmenbedingungen wie Wohnmöglichkeiten, ganztägige Betreuungseinrichtungen, Schulen und Freizeitangebote dafür mitentscheidend. Die katholische Kindertageseinrichtung soll im Zusammenwirken mit der Pfarrgemeinde die Familien in ihren Wünschen und Bedürfnissen unterstützen, Raum für Begegnungen schaffen und in schwierigen Lebenssituationen Beratung und Hilfe vermitteln. „Im diakonischen Wirken der Kindertageseinrichtung öffnet sich die Gemeinde grundsätzlich für alle Menschen“, heißt es wörtlich.
Grundsätzlich ist die katholische Kindertageseinrichtung offen für alle Kinder und Eltern, die ihre Konzeption bejahen – gleich welcher Kultur, Nationalität oder Religion sie angehören, für Kranke und Behinderte. Kinder aus problembelasteten, einengenden, geistig oder materiell anregungsarmen Lebensverhältnissen bedürfen dabei besonderer Förderung. Dass Familien anderer Religion, Konfession oder ohne Konfessionszugehörigkeit heute in steigendem Maße in katholischen Kindertageseinrichtungen anzutreffen sind, wird als „Bereicherung“ beschrieben, wenn die Begegnung in einer Haltung des Respekts und der gegenseitigen Achtung geschieht. Kinder sollen mit der eigenen Kultur und Religion vertraut werden, sich aber auch selbstbewusst und kritisch mit anderen Haltungen beschäftigen. „So kann es gelingen, dass sie die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Weltanschauungen später nicht als Bedrohung wahrnehmen.“
Lernweg und Lebensort für den Glauben
Für Kinder wie Eltern wird der Alltag der katholischen Kindertageseinrichtung als „Lernweg und Lebensort für den Glauben“ erfahrbar. Auch Kinder suchen Antworten auf existenzielle Fragen wie dem „woher“, „wohin“, „wieso“ und „wozu“. Sie sind offen für religiöse Fragen und brauchen Raum für eine kindgemäße religiöse Entwicklung. Die katholische Kindertageseinrichtung unterstützt das Fragen und Suchen und gibt Antworten aus dem lebendigen Glauben der Gemeinde. In der pädagogischen Arbeit wird den Kindern die christliche Botschaft im Spiel und Erleben, in Worten und Symbolen nahe gebracht. Die Kinder lernen christliche Bräuche, Rituale und Gebete kennen, finden an heiligen Menschen und vorbildhaften Christen Orientierung, entdecken Kirche und religiös geprägte Räume und deren Zeichen. Für Eltern, die über die Kindertageseinrichtung wieder Kontakt mit ihrer Kirche aufnehmen, werden persönliche Gespräche, Elternabende und Gesprächskreise zu Erziehungs-, Lebens- und Sinnfragen sowie Elternstammtische angeboten und sie werden in gemeinsame Fest- und Feiergestaltungen mit einbezogen. So wird die Kindertageseinrichtung für die Pfarrgemeinde zur Chance, im eigenen Glauben und nach außen zu wachsen, indem sie sich den aktuellen Fragen der Menschen stellt.
Verantwortlichkeiten klar geregelt
Damit die Kindertageseinrichtung zu einem lebendigen Mittelpunkt der Pfarrgemeinde wird, müssen deren verschiedenen Organe klare Verantwortlichkeiten wahrnehmen, die ebenfalls in den pastoralen Richtlinien beschieben sind. So trägt die Pfarrgemeinde für die Kindertageseinrichtung Verantwortung in pastoraler und, wenn sie Träger der Einrichtung ist, auch in rechtlicher Hinsicht. Der Pfarrer ist als Dienstgeber und Seelsorger gefragt. Der Pfarrgemeinderat ist zum Dialog mit der Kindertageseinrichtung und zu ihrer Förderung verpflichtet, während der Verwaltungsrat für die Sicherung und ggf. Verbesserung der Qualität der Kindertageseinrichtung Sorge tragen muss.
Die pastoralen Richtlinien richten aber nicht nur Forderungen an die Gemeinden, sondern verpflichten auch das Bischöfliche Ordinariat und den Diözesan-Caritasverband, über das Bestehende hinaus Beratung und Hilfen für die Weiterentwicklung der katholischen Kindertageseinrichtungen anzubieten. Verstärkt werden sollen insbesondere die Fortbildungsangebote für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kindertageseinrichtungen wie für diejenigen in den Gemeinden, die für Kindertageseinrichtungen besondere Verantwortung tragen. Vorgestellt bei der Fachtagung wurden zum Beispiel neue Arbeitshilfen zum Qualitätsmanagement und Qualifizierungsangebote für Trägervertreter.
Zum Ende der Fachtagung lag so etwas wie Aufbruchstimmung in der Luft. Vor allem beeindruckt waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vom Gesamttenor der pastoralen Richtlinien und ihrer klaren Beschreibung der Bedeutung der Kindertageseinrichtung im Gesamtgefüge der Pfarrgemeinde, den klaren Zuschreibungen der Verantwortlichkeiten und der Zusagen des Bistums, die anstehenden Prozesse zu begleiten. Die neuen pastoralen Richtlinien, so Generalvikar Dr. Werner Guballa in seinem Schlusswort, stehen im Kontext eines Bistumsprozesses. „Wir haben das gemeinsame Ziel, konsequent für Kinder und Familien einzutreten“, sagte er. Beeindruckt war er von dem riesigen Engagement aller Beteiligten, von dem er wisse, das er aber während der Fachtagung hautnah erlebt habe und für das er nur ein herzliches „Vergelt´s Gott“ sagen könne.
J. Otto Weber