Bensheim. – Diakon Heinz Lenhart ist optimistisch:
Eine erste Sozialveranstaltung vor sechs Jahren habe zur Gründung des
„Lichtblick“ geführt, eines offenen Treffpunkts für arbeitslose Menschen mit
weiterführenden Beratungsangeboten, der inzwischen Kontakt zu 1.300 bis 1.400
Menschen hatte. Von der zweiten Sozialveranstaltung unter dem Thema „Mehr
Eigenverantwortung statt Solidarität – ein Ausweg aus der Arbeitslosigkeit?“
erhofft sich Lenhart einen erneuten Schub weiterführender Hilfen für Menschen
ohne Arbeit unter den Bedingungen der Hartz-IV-Gesetzgebung, die ab der bevorstehenden
Jahreswende greifen soll. Der Auftakt ist unter der geschickten Moderation von
Dr. Jürgen Wüst vom in Bensheim ansässigen Institut für
Organisationskommunikation (IFOK) gelungen. Die regionale Politik, Wirtschaft,
Verwaltung, Kirche, Arbeitnehmerseelsorge, Caritas und Diakonie waren bei der
Tagung im Bensheimer Kolpinghaus hochkarätig vertreten und zeigten bei mancher
Ratlosigkeit viel Offenheit und guten Willen. Ob es zu einer neuen
Initialzündung eines Hilfesystems für arbeitslose Menschen kommen wird, ist
nicht ausgeschlossen, wenngleich derzeit noch offen.
Um Eigenverantwortung und Solidarität kreiste denn
auch der erste Teil der Veranstaltung. Aus den vielen Gesprächen mit arbeitslosen
Menschen beim „Lichtblick“ brachte Lenhart die Erfahrung ein, dass sie
solidarische Begleitung brauchen, um Eigenverantwortung entwickeln zu können.
Wer über längere Zeit erfahren hat, dass seine Arbeitskraft nicht gebraucht
wird, ist zu starker Eigeninitiative nicht mehr fähig. Für Hermann-Joseph Herd,
Dekan des Dekanates Bergstraße-Mitte, braucht es beides: Eigenverantwortung und
Solidarität. Der Erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Bergstraße, Jürgen
Lehmberg, brachte es so auf den Punkt: „Wenn wir es nicht schaffen, die Wünsche
der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen und der Wirtschaft auf einen
Nenner zu bringen, sind wir gescheitert“.
Theo Haar von der in Bensheim ansässigen Firma
Sirona gab sich überzeugt, dass mehr Eigenverantwortung mehr Solidarität
hervorbringt. Viele genießen nach seinem Eindruck die Vorteile des Sozialstaates,
wollen dafür aber nicht bezahlen. Als einen Beleg dafür wies er auf den
boomenden Schwarzmarkt hin. Er hielt es mit John F. Kennedy, der gefordert habe,
die Fragestellung müsse nicht lauten: “Was hat der Staat für mich zu tun?“
sondern: „Was kann ich für den Staat tun?“ Eigenverantwortung bedeute für ihn,
mit der Erfahrung aus dem Gestern heute leben im Hinblick auf morgen, so Haar.
Dem gegenüber plädierte Prof. Dr. Heiner Ludwig für
den Vorrang der Solidarität vor der Eigenverantwortung. Eigenverantwortung
werde nicht vom Markt hervorgebracht, sie müsse vielmehr in einem von
Solidarität geprägten Umfeld entstehen können. Solidarität ist in hohem Maße auch
an der Bergstraße vorhanden, so Prof. Ludwigs Überzeugung. Es müsse daraus
Politik gemacht werden, forderte er.
Workshops zu konkreten Umsetzungen
Konkret wurde es in drei Workshops im zweiten Teil
der Veranstaltung. Probst Edmund Erleman berichtete Mut machend von den
Erfahrungen des Volksvereins Mönchengladbach. Anknüpfend an die Tradition des
„Volksvereins für das katholische Deutschland“ von 1890 – 1933 mit Sitz in
Mönchengladbach, hat sich dort eine breite Initiative mit dem Ziel gebildet,
arbeitslose Menschen aufzufangen, zu beschäftigen, ihnen ihre Würde wieder
zurück zu geben und das Selbstvertrauen zu wecken, sich einen Arbeitsplatz auf
dem ersten Arbeitsmarkt zuzutrauen. Gewachsen ist in mehr als 20 Jahren der
„Volksverein Mönchengladbach“, eine gemeinnützige Gesellschaft gegen
Arbeitslosigkeit mbH, die langzeitarbeitslose Menschen in den Bereichen
Gebrauchtmöbelverwertung, Holzteilefertigung, Gebrauchtkleiderladen, Altschuh-
und Altkleiderverwertung sowie Hauswirtschaft
beschäftigt, sie berät und durch verpflichtende Bildungsangebote dazu
anhält, ihren Horizont über die unmittelbaren Sorgen für das Morgen hinaus zu
weiten. Der „Volksverein Mönchengladbach“ bietet durchgehend rund 120 Menschen
weiterführende Perspektiven, die dazu führen, dass nicht wenige von ihnen einen
festen Arbeitsplatz finden. Er hat inzwischen ein breites Netz der unterstützenden
Solidarität aufgebaut und unternimmt viele Anstrengungen, es ständig zu erweitern.
Dass der Bensheimer „Lichtblick“ eine wichtige
Anlaufstelle für Menschen ist, die in Gefahr stehen, mutlos zu resignieren,
unterstrich auch der Bensheimer Bürgermeister Thorsten Hermann in einem zweiten
Workshop. Die Stadt Bensheim unterstütze deshalb das Modell und sei als Partner
für weitere Entwicklungen mit im Boot. Ähnlich auch die Grundtendenz bei einem
dritten Workshop zum Thema „Beschäftigungsprojekte – Sackgasse oder Chance aus
dem Weg der Arbeitslosigkeit?“, bei dem Rosemarie Schultheis, die Leiterin
der Bensheimer Agentur für Arbeit, weitere
partnerschaftliche Zusammenarbeit und Unterstützung zusagte.
Die Würde der arbeitslosen und von Arbeitslosigkeit
bedrohten Menschen müsse stärker in den Blick genommen werden als die Kosten,
forderte Thomas Domnick, Leiter des Referates Berufs- und Arbeitswelt beim Bischöflichen
Ordinariat Mainz. Der Darmstädter Caritasdirektor Dr. Werner Veith versprach,
aufbauend auf die von der Caritas bereits stark mitgetragenen Erfahrungen mit
dem „Lichtblick“ weiterführende Maßnahmen zu überlegen, und auch die Diakonie
erklärte ihre Bereitschaft zu weiterer Kooperation.
Dekanatsreferent Stephan Volk, genauso wie Martin
Fraune von der Caritas-Außenstelle Heppenheim auch persönlich stark beim
„Lichtblick“ engagiert, dankte allen Beteiligten für ihr engagiertes Mitmachen.
Lenhart brachte es in seinem Schlusswort auf den Punkt: „Es wird viel über arme
und arbeitslose Menschen gesprochen und geschrieben – wir versuchen, mit ihnen
zusammen weiterführende Wege zu gehen und der Hoffnung Gestalt zu geben.“
Zu der zweiten Sozialveranstaltung hatten gemeinsam
das Katholischen Dekanat Bergstraße-Mitte, die Außenstelle Heppenheim des
Caritasverbandes Darmstadt, das Arbeitslosen-Hilfsprojekt „Lichtblick“, das
Referat „Berufs- und Arbeitswelt“ im Bistum Mainz
und das in Bensheim ansässige Institut für Organisationskommunikation
(IFOK) eingeladen.
J. Otto Weber
Kontakt:
Der
„Lichtblick“ ist geöffnet jeweils dienstags von 10.00 bis 12.00 Uhr im Kolpinghaus,
Am Rinnentor 46, in 64625 Bensheim