Zu einigen ehemaligen Klienten der ersten Jahre seiner hauptberuflichen
Tätigkeit bei der Caritas pflegt er heute noch gute Kontakte: Peter Deinhart,
der nach über 35jähriger und oft mühsamer Arbeit bei der Caritas, in den
letzten Jahren als Diözesancaritasdirektor, am 21. April 2009 in einer Feierstunde
durch Kardinal Karl Lehmann in den Ruhestand verabschiedet wird. Er war und ist
ein „Mister Caritas“ durch und durch, der das in seinem Leben umsetzen wollte
und will, was in der Bibel als Auftrag so formuliert ist: Den Armen die frohe
Botschaft verkünden – eine frohe Botschaft, die sich nicht aufs Reden
beschränkt, sondern sich in der Tat ausdrückt. „Ich will euch Zukunft und
Hoffnung geben“, das Leitwort des Freiburger Katholikentages von 1978, hat
Deinhart ins Leben umzusetzen versucht. Soweit seine Kontakte zu Klienten über
das rein Berufliche hinausgingen, wurden sie stark von seiner Frau Delphine
mitgetragen. Zusammen mit ihren fünf Kindern lebten sie eine offene, gastfreundliche
Familie, in der auch immer wieder Menschen willkommen waren, die in einer
Notlage steckten.
1944 in
Oberfranken geboren
Deinharts Wiege
stand in Oberfranken, wo er am 13. April 1944 in dem kleinen Ort Wolkendorf bei
Bamberg geboren wurde. Nach dem Abitur studierte er in Würzburg katholische
Theologie und anschließend in Köln Sozialarbeit. Ziemlich direkt führten ihn
nach kurzer Tätigkeit beim Kreisjugendamt in Bad Kreuznach die Wege nach Mainz.
Zunächst war er in der Suchtberatung beim Bezirkscaritasverband Mainz tätig,
bevor er 1978 beim Diözesancaritasverband das damals neu geschaffene Referat
für Gefährdeten- und Behindertenhilfe übernahm.
Suchtkrankenhilfe und Kreuzbund mit aufgebaut
Insbesondere
die Hilfe für suchtkranke Menschen hat ihn seit damals nicht mehr losgelassen.
Entscheidend hat Deinhart die Hinwendung der Caritasarbeit von der Linderung
rein materieller Not zur Hilfe in psycho-sozialen Notlagen geprägt. Die materielle
Not, das große Thema der Caritas in der Kriegs- und Nachkriegzeit, war in den
siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts besser bekämpft als derzeit. Mit
dem damaligen Wohlstand waren neu die psycho-sozialen Nöte in den Vordergrund
getreten. Mühsam erkämpft und durchgesetzt wurde damals die Anerkennung der
Sucht als Krankheit, die zwar nicht geheilt werden konnte, die aber
beherrschbar ist. Entscheidenden Anteil an den Erfolgen der Suchthilfe hat in
der Diözese Mainz die professionelle ambulante Suchtkrankenberatung des
Caritasverbandes, für die Deinhart als Diözesanreferent zuständig war und für
deren kontinuierlichen Ausbau er sich einsetzte. Parallel dazu erfolgte der
Aufbau der stationären Suchtkrankenhilfe, wie sie sich in der Diözese Mainz
etwa in der Klinik Schloss Falkenhof in Bensheim festmachte, und der rasche
Auf- und Ausbau eines dichten Netzes von ehrenamtlich arbeitenden
Kreuzbund-Gruppen. Der Kreuzbund versteht sich als Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft
für Suchtkranke und Angehörige. Dass es heute in der Diözese Mainz rund 70
Kreuzbund-Gruppen gibt, ist entscheidend Deinharts Verdienst, der Ende der
siebziger und in den achtziger Jahren jeweils daran beteiligt war, dass die
Gruppen ins Laufen kamen. Kreuzbund-Mitglieder stehen offen zu ihrer Krankheit
und vertuschen sie nicht. Vor dem Hintergrund der christlichen Botschaft
versuchen sie, die kreativen, schönen und sinnstiftenden Seiten des Lebens zu
entdecken. Sie helfen sich gegenseitig bei der Bewältigung der Alltagsprobleme
und unternehmen vieles gemeinsam unter Einbeziehung der Familien.
Besonders stolz
ist Deinhart mit Recht, dass einer seiner frühen Klienten nicht zuletzt durch
seine Kreuzbund-Mitgliedschaft dauerhaft stabil alkoholfrei lebte und schließlich
sogar einige Jahre lang bis zu seinem Tod Kreuzbund-Diözesanvorsitzender war.
Dieser Mann hat offen dazu gestanden und selbst erzählt, wie er früher in der
Gosse lag und von vielen verachtet war. Bei seiner Beerdigung gaben ihm mehrere
hundert Menschen das letzte Geleit.
Obdachlosen Würde gegeben
Manche kennen
Deinhart noch aus der Zeit als junger Familienvater. Damals war er insbesondere
an Wochenenden in Mainz unterwegs, begleitet von einem oder mehreren seiner
Kinder. Immer wieder ließ er sich dabei aufhalten und war im Gespräch mit
obdachlosen Menschen, die er „Freunde von der Landstraße“ nannte. Er kaufte
sich dabei nicht mit einem Almosen frei, schenkte ihnen statt dessen
Aufmerksamkeit, sein Ohr, Verständnis und Zeit. Er gab ihnen so ein Stück
Menschenwürde zurück. Noch heute ist Deinhart mit einem ehemaligen
Stadtstreicher befreundet, der damals als alkoholkranker Obdachloser wiederholt
psychisch am Ende war und am Rande des Todes schwebte. Weil Deinhart und seine
Frau an ihn glaubten, ihm Mut machten, zu ihm standen und ihn in weiterführende
Therapien begleiteten, hat er vor vielen Jahren den Sprung geschafft in ein stabiles,
selbständiges und sinnerfülltes Leben.
Diese Beispiele
müssen für die vielen Begegnungen stehen, in denen Deinhart Menschen Mut machte
und Wege gewiesen hat, das eigene Leben wieder in die Hand zu nehmen und in den
Griff zu bekommen. Er war sich dabei immer bewusst, dass er zwar sein bestes
geben müsse, dass der Erfolg aber letztlich nicht in seiner Hand lag, sondern
dass Gott seinen Segen dazu geben müsse.
Erfahrungen auch als Diözesancaritasdirektor
eingebracht
1988 wurde
Deinhart Abteilungsleiter beim Caritasverband für die Diözese Mainz und 1993
stellvertretender Geschäftsführer. Damit verlagerte sich der Schwerpunkt seiner
Tätigkeit mehr nach innen. Seinen Prinzipien ist er dabei treu geblieben.
Aufbauend auf seinen Erfahrungen, versuchte er im Ausbau der Strukturen des
Diözesancaritasverbandes den praktischen Berufsfeldern den notwendigen Freiraum
zu verschaffen, der für eine erfolgreiche Tätigkeit notwendig ist.
Musste Deinhart schon in der zweiten Jahreshälfte 2003 wegen des Weggangs
des damaligen Diözesancaritasdirektors Mario Junglas die alleinige
Verantwortung für den Diözesancaritasverband tragen, wurde er nach
Inkrafttreten der Vereinsreform ab Anfang 2004 von Kardinal Karl Lehmann zum Diözesancaritasdirektor
und Mitglied des Vorstands ernannt. Zusammen
mit Domkapitular Hans-Jürgen Eberhardt als Vorstandsvorsitzendem trägt
er seitdem Verantwortung für den Diözesancaritasverband, unter dessen Dach rund
9.000 Menschen hauptamtlich bei den Caritasverbänden, den Fachverbänden der
Caritas und ihren korporativen Mitgliedern im Dienste der Caritas stehen und
sich mehr als 15.000 Menschen ehrenamtlich engagieren. In all dieser Zeit war
viel Gremienarbeit zu bewältigen. So hatte Deinhart vor Eintritt in seinen
Ruhestand allein 110 Vorständekonferenzen vorzubereiten und mitzubestreiten.
Mehrere Jahre war er Vorsitzender der Hessen-Caritas, in der die hessischen Caritasverbände
der Diözesen Fulda, Limburg und Mainz zusammenarbeiten.
Deinharts durchgehendes Anliegen war es, die Einrichtungen der Caritas,
die korporativen Mitglieder und die Bezirkscaritasverbände durch
vertrauensvolles Miteinander im Caritas-Verbandssystem zu stärken. Im Bereich
der Kinder- und Jugendhilfe zum Beispiel hatte er als Vertreter des Mainzer
Diözesancaritasverbandes mit dafür Sorge getragen, dass es klare Rahmenbedingungen
auf Landesebene Hessen gab. Damit besaß der Träger wie der Einrichtungsleiter
der freien Jugendhilfe vor Ort die Voraussetzung, kompetent mit dem
Kostenträger auf kommunaler Ebene zu verhandeln
In dem vielfältigen Geflecht konnte Deinhart nicht
immer seine an der Praxis geprägten Erfahrungen voll umsetzen. Immer aber hat
er dafür gekämpft, dass die Caritas ihren im Evangelium Jesu Christi
grundgelegten Einsatz für arme und benachteiligte Menschen fest im Auge behält
und nach Kräften verwirklicht. Dabei waren mitunter auch Niederlagen
einzustecken. Deinhart hat immer nach dem Prinzip gehandelt, so lange für die
für notwendig erkannte Sache zu kämpfen, bis er überstimmt wurde. Dann aber hat
er den Mehrheitswillen respektiert und auch vertreten – klar wissend, dass auch
er nicht alle Aspekte im Blick haben kann.
Umzug in die Wege geleitet und gestaltet
Deinhart
arbeitete bienenfleißig zumeist eher im Hintergrund, bereitete Entscheidungen
vor und sorgte nach Beschlussfassung für ihre Umsetzung. Stets war er um Ausgleich
und Harmonie bemüht, was ihm freilich nicht immer gelungen ist. Hier und da
musste er auch durchgreifend handeln. Dass es aus Anlass des 90jährigen Bestehens
des Caritasverbandes für die Diözese Mainz 2007 zur „Tour de Caritas“ gekommen
ist, ist wesentlich sein Verdienst. Ebenso geht es auf Deinharts Anregung
zurück, dass beim Jubiläum aus Anlass seines 130. Todestages auch des großen
Mainzer Bischofs Wilhelm Emmanuel von Ketteler und seines sozialen Wirkens in
der Diözese Mainz gedacht wurde. Die Jubiläumsfeier mit Kardinal Karl Lehmann,
Caritaspräsident Dr. Peter Neher, den beiden Sozialministerinnen Malu Dreyer
und Silke Lautenschläger hat Deinhart weitgehend vorbereitet und gestaltet.
Gelöst wurde unter seiner Leitung auch das Problem der jahrelang anstehenden
Sanierung des alten Caritashauses am Südbahnhof. Es wurde verkauft. Die
Zentrale des Caritasverbandes zog in das ehemalige Berthier-Haus in den
Stadtteil Bretzenheim um, das unter Deinharts Regie eigens für die Belange der
Zentrale umgebaut worden ist. Dass der Umzug der Verbandszentrale mit um die 60
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Januar 2008 relativ reibungslos vollzogen
werden konnte, geht auf eine minutiöse Planung unter Deinharts Regie zurück.
Der Kreis schließt sich
1966, damals
noch Theologiestudent in Würzburg, hat Deinhart den Kreuzbund kennen und
schätzen gelernt. Den Kreuzbund hat er während seiner beruflichen Tätigkeit
durchgehend begleitet. Gegen Ende seiner hauptamtlichen Tätigkeit konnte er die
Gründung der Kreuzbund Stiftung im Bistum Mainz mit in die Wege leiten und bei
der Gründung dabei sein, deren Ziel es ist, die Kreuzbund-Arbeit dauerhaft zu
fördern. Aus Anlass seines 65 Geburtstages und seiner Verabschiedung in den
Ruhestand bittet er all diejenigen, die ihm eine Freude bereiten wollen, statt
eines persönlichen Geschenkes um eine Spende für die Kreuzbund Stiftung bei der
Pax-Bank e.G., BLZ 370 601 93, Konto 4 082 828 90 mit dem Stichwort „Abschied
Deinhart“. Nicht nur der Kreuzbund bildet eine Klammer um das berufliche Leben
von Peter Deinhart: Bei seiner Verabschiedungsfeier werden auch einige Klienten
der ersten Zeit teilnehmen, die er dauerhaft in ein stabiles leben begleitet
hat.
J. Otto
Weber