Mainz/Gießen. "Das Kindeswohl muss beim Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen absolute Priorität haben", forderte Diözesancaritasdirektor Thomas Domnick am Mittwoch in Mainz. "Mit Sorge sehen wir das Eiltempo, mit dem junge Flüchtlinge ab dieser Woche auf Kreise und kreisfreie Städte in Hessen verteilt werden sollen. Eine angemessene Unterbringung und Förderung der Kinder und Jugendlichen ist vielerorts ebenso ungewiss wie der tägliche Deutschunterricht."
Der bisherige hessische Clearing-Erlass wird zum 31. Oktober ausgesetzt und infolge einer neuen Bundesgesetzgebung in ein verkürztes Screening-Verfahren umgewandelt. Demnach werden die jungen Flüchtlinge zunächst in Obhut genommen und dann binnen 28 Tagen bundesweit nach einer Quote verteilt. Die etwa 1500 Kinder Jugendlichen, die sich in Hessen noch im Clearingprozess befinden, sollen nun bis Ende des Monats den Kreisen und kreisfreien Städten zugewiesen werden.
"Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die nach einer langen, gefährlichen, oft traumatischen Flucht bei uns ankommen, brauchen Schutz und Geborgenheit", sagte Joachim Tschakert, Direktor des Caritasverbandes Gießen. "Doch es ist zu befürchten, dass die jungen Flüchtlinge nicht in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, sondern in Gemeinschaftsunterkünften oder im Extremfall Turnhallen untergebracht werden und der bisherige tägliche Deutschunterricht auf der Strecke bleibt - die wichtigste Grundlage für eine gelingende Integration."
Nach Ansicht des Experten mangelt es auch an pädagogischen Fachkräften, die die Kinder und Jugendlichen beim Start in ein neues Leben unterstützen. Tschakert schätzt den Bedarf in Hessen allein in den kommenden Wochen auf etwa 750 neue Mitarbeiter.
"Nun rächt es sich, dass viele Kommunen die Augen vor der Realität steigender Flüchtlingszahlen verschlossen haben", sagte Diözesancaritasdirektor Domnick. Die Caritas in Hessen hatte wiederholt auf die Notwendigkeit hingewiesen, weitere Kapazitäten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu schaffen und selbst große Anstrengungen in diesem Bereich unternommen.
So hatte die vom Caritasverband Gießen getragene Jugendhilfeeinrichtung St. Stephanus in Gießen Ende 2013 noch 68 Plätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Clearingverfahren. Inzwischen sind es 230 Plätze. 100 neue Mitarbeiter wurden in diesem Jahr eingestellt. Hessenweit stieg die Zahl der insgesamt in Caritas-Einrichtungen lebenden unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge von Mai bis September dieses Jahres von etwa 600 auf rund 1000.
"Die Kommunen müssen endlich ihrer Pflicht nachkommen und angemessene Startbedingungen für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge schaffen", forderte Domnick. Zugleich müsse das Land einen Fonds auflegen, der den Trägern, die neue Plätze schaffen, auch für den Fall sinkender Flüchtlingszahlen Planungssicherheit gewährt. Auch könne die Landesregierung prüfen, inwieweit bei der Erschließung neuer Räumlichkeiten weitere bürokratische Hürden abgebaut werden könnten.
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Joachim Tschakert
Caritasdirektor, Gießen
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