Pressemitteilung des Caritasverbandes für die Diözese Mainz
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Darmstädter Sozialhilfefibel für Kinder und Jugendliche vorgestellt:
Arme Kinder in reicher Stadt Darmstadt. - Zusammen mit der Fachhochschule Darmstadt hat der Caritasverband Darmstadt eine "Darmstädter Sozialhilfefibel für Kinder und Jugendliche" erarbeitet, die auf einer Pressekonferenz am 30. März 2000 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Darin enthalten sind in übersichtlicher und verständlicher Form alle Ansprüche, die sozialhilfeberechtigte Eltern und Alleinerziehende im Hinblick auf ihre Kinder und Jugendlichen nach dem Bundessozialhilfegesetz haben. Die oft recht allgemein gehaltenen Bestimmungen des Gesetzes werden in der 96 Seiten starken Broschüre in den Zusammenhang des allgemein Üblichen gestellt und vor dem Hintergrund auch von Gerichtsurteilen interpretiert, so Prof. Dr. Albrecht Brühl von der Fachhochschule. Der Darmstädter Caritasdirektor Dr. Werner Veith machte darauf aufmerksam, dass in Darmstadt nach dem Armutsbericht der Stadt von 1995 jedes neunte Kind bzw. jeder neunte Jugendliche in einem Haushalt lebt, der auf Sozialhilfe angewiesen ist. Insgesamt betrifft das 2400 Kinder und Jugendliche - "in einer der reichsten Regionen Europas", wie Veith anmerkte. - Die Broschüre ist kostenlos beim Sozialamt, für DM 4,00 beim Caritasverband Darmstadt und für DM 5,00 im Darmstädter Buchhandel erhältlich. Immer mehr verfestige sich in Deutschland die Entwicklung zu einer Gesellschaft, in der es zwei Dritteln der Menschen gut bis sehr gut gehe, in der aber ein Drittel der Menschen in Armut lebten, warf Dr. Veith ein Schlaglicht auf die soziale Landschaft. 2,9 Millionen Menschen lebten derzeit von Sozialhilfe, wobei nach Untersuchungen der Caritas rund ein Drittel der Sozialhilfeberechtigten ihre Ansprüche meist aus Unwissenheit oder Scham nicht einmal geltend machten. Die Sozialhilfe errechne sich nach dem Regelsatz, erläuterte Diplom-Sozialarbeiter Johannes Hörner vom Caritasverband. Dieser betrage für den Haushaltsvorstand zum Beispiel derzeit 548,00 DM zuzüglich Wohngeld, für ein Kind unter 6 Jahren DM 274,00 monatlich. Hinzu kämen einmalige Leistungen, bei denen die Sozialämter einen erheblichen Ermessensspielraum hätten. Die Fibel wolle dadurch, dass sie den Blick über Darmstadt hinaus weite, zu mehr Gerechtigkeit beitragen. Zugleich könne die Fibel für die Sachbearbeiter des Sozialamtes eine Anleitung zur Auslegung der einzelnen Bestimmungen sein. So sehe es auch das Darmstädter Sozialamt, das die Erarbeitung der Fibel unterstützt habe und sie auch kostenlos verteile. Von Gesetzes wegen sei das Sozialamt zur persönlichen Beratung der Sozialhilfeberechtigten verpflichtet, faktisch finde sie aber nicht statt, weil die Sozialämter überlastet seien, sagte Hörner. Mit der Verteilung der Fibel komme das Sozialamt seiner Beratungspflicht wenigstens teilweise nach. Knapp die Hälfte aller bei der Allgemeinen Lebensberatung (ALB) der Caritas nachgefragten Beratungen beträfen wirtschaftliche Fragen, so Gudrun Schneider, Leiterin der ALB. Auch dabei werde die neue Fibel künftig sehr hilfreich sein. An der von Dr. Brühl und Hörner redigierten Sozialhilfefibel haben Studierende und Betroffene mitgearbeitet. Die Studierenden geben zugleich einige Empfehlungen an die Sozialverwaltung der Stadt. So sehen sie zum Beispiel die in Darmstadt bei der Einschulung von Kindern gewährten DM 15,00 für die Schultüte und DM 60,00 für den Schulranzen als zu niedrig an. Das Bundesverwaltungsgericht habe bei der Schultüte noch DM 10,00 zusätzlich für den Inhalt und beim Schulranzen zusätzlich DM 140,60 für eine Mindestausstattung an Materialien zugesprochen. Auch halten die Studierenden es für notwendig, die Kosten für einen Computer als sozialrechtlichen Bedarf anzuerkennen. Sie beziehen sich, wie die Studentin Petra Schrauder erläuterte, dabei nicht zuletzt auf den ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, der 1999 gesagt hatte: "Wie das Lesen, Schreiben und Rechnen gehört der Umgang mit dem Computer heute zu den selbstverständlichen Kulturtechniken." Der Umgang mit einem Computer werde heute bei Jugendlichen auch im Berufsleben praktisch vorausgesetzt, ergänzte Dr. Brühl. Wer nicht am Computer üben könne, bleibe auf lange Sicht benachteiligt. Heike Meisner, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, rechnete als Betroffene zum Beispiel vor, dass sie für ein Kind als Schulbedarf für das laufende Schuljahr pauschal DM 60,00 vom Sozialamt bekommen, faktisch aber schon über DM 125,00 ausgegeben habe. "Da werden ganz kurzfristig DM 10,00 Kopierkosten fällig oder DM 12,00 für einen Ausflug eingesammelt...", sagt sie. "Was ich nicht im Voraus beantragen kann sondern wegen der knappen Zeit vorlegen muss, bekomme ich nicht mehr erstattet". Das Sozialamt argumentiere, sie habe das Geld ja gehabt und deshalb handle es sich nicht um eine lebensnotwendige Hilfe. Damit appellierte sie zugleich auch an die Schulverantwortlichen, mit Rücksicht auf Sozialhilfebezieher bei Einsammeln von Geldern längere Fristen zu gewähren. Sie mache zwar keinen Hehl daraus, dass sie auf Sozialhilfe angewiesen ist, so Heike Meisner. Beim Elternabend in der Schule schaffe sie es aber nicht, zu sagen: "Da kann ich nicht mithalten, denn ich bin Sozialhilfebezieherin." J. Otto Weber |
Pressemitteilung
Darmstädter Sozialhilfefibel für Kinder und Jugendliche vorgestellt: Arme Kinder in reicher Stadt
Erschienen am:
30.03.2000
Beschreibung