Mainz. – Auf große Ressonanz stieß bei Leiterinnen, Trägern und Elternvertretern katholischer Kindergärten aus Rheinhessen eine Tagung, zu der der Diözesancaritasverband und das Bischöfliche Ordinariat nach Mainz-Finthen eingeladen hatten. Sie setzten sich dabei mit dem Entwurf für Bildungs- und Erziehungsempfehlungen des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Bildung, Frauen und Jugend auseinander. Ziel der Tagung war es, sich gemeinsam des christlichen Bildungs- und Erziehungsverständnisses zu verge-wissern und praxisorientierte Rückmeldungen zum Entwurf des Ministeriums zu erarbeiten. Die Tagung entsprach damit auch dem Wunsch von Bildungsministerin Doris Ahnen, die sich eine breite Diskussion des Richtlinienentwurfs ihres Ministeriums erhofft, bevor er vermutlich im Sommer nächsten Jahres in Kraft treten soll.
In Zeiten, in denen viele Werte gleichberechtigt nebeneinander zu stehen scheinen, haben katholische Kindertagesstätten einen klaren Vorteil. Darüber bestand bei der Tagung Übereinstimmung. Grundlage ihrer Bildungs- und Erziehungsarbeit ist das christliche Menschenbild. Danach gehören Bildung und Menschsein zusammen, denn christliche Bildung zielt auf ein souveränes Menschsein. Jeder Mensch - auch das Kind – hat eine ihm von Gott geschenkte Würde. Die unantastbare Würde jedes einzelnen Menschen ist Ursprung und Ziel erzieherischen Handelns. Dies muss im Alltag des Kindergartens durchgehend erfahrbar sein. „Das drückt sich aus schon in der Art und Weise, wie wir das Kind am Morgen empfangen und am Abend verabschieden und zeigt sich ganz stark im Umgang mit Konflikten“, formulierte es zum Beispiel Domkapitular Hans-Jürgen Eberhardt zu Beginn der Tagung.
Zur Sprache kamen wesentliche Aspekte der geplanten Empfehlungen. Themen waren das christliche Bildungsverständnis, Anforderungen und Chancen der geplanten Bildungs- und Lerndokumentation, Konsequenzen für die Konzeption von Aus- und Fortbildung von Erzieherinnen, die Gestaltung des Übergangs von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule, Möglichkeiten der Elternmitwirkung, sowie die Konsequenzen der Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für die Träger von Kindertageseinrichtungen.
Dem Diskussionsentwurf des Ministeriums merke man deutlich an, dass er unter dem Schock der PISA-Ergebnisse erarbeitet worden sei, war einer der Kritikpunkte. Es sei darauf zu achten, dass beispielsweise Ziele wie die Vorbereitung auf die Wissensgesellschaft und lebenslanges Lernen nicht einseitig in den Vordergrund gerückt würden. Wichtig sei die ganzheitliche Entwickung zu einer lebensbejahenden, zuversichtlichen Persönlichkeit. Grundlage hierfür ist die bewusste Gestaltung positiver sozialer Beziehungen. Es sind Möglichkeiten zu schaffen, in denen sich Fähigkeiten wie Menschlichkeit, Nächstenliebe, moralisches und demokratisches Bewusstsein entwickeln können. Neben der kognitiven Förderung werden deshalb auch der sozial-emotionalen Entwicklung und der Förderung im musisch-kreativen Bereich große Bedeutung beigemessen. Dies alles geschieht auf der Grundlage des christlichen Wertehorizonts.
In den Pastoralen Richtlinien für die Kindertagesstätten der Diözese Mainz von 2003 ist beschrieben, dass Kinder hier eine an christlichen Werten orientierte ganzheitliche Erziehung erfahren. Im katholischen Kindergarten steht das spielerische Entdecken und Lernen im Vordergrund. Es ist wichtig, dass es den Kindern auch Spaß macht, denn nur dadurch entwickelt sich eine nachhaltige Motivation. Im täglichen Miteinander und im Spiel entwickeln Kinder ihre soziale Kompetenz weiter. Werte müssen nicht belehrend vermittelt sondern emotional erlebt werden können und sich in der Atmosphäre ausdrücken, die das Miteinander im Kindergarten prägt. Das Kind muss erleben, dass es als Person uneingeschränkt angenommen ist und ernst genommen wird und dass man Vertrauen in es setzt. Werte wie die Unantastbarkeit der Person des Anderen zum Beispiel müssen Kinder in der Art und Weise erfahren, wie man mit Konflikten umgeht. Eine von christlichen Werten geprägte Atmosphäre wird aber auch dadurch spürbar, wie mit schwierigen oder verhaltensauffälligen Kindern umgegangen wird, wie behinderte Kinder mit ihren Schwächen akzeptiert und in ihren Stärken gefördert werden.
Es herrschte Einigkeit darüber, dass viele Vorgaben der Empfehlungen bereits jetzt umgesetzt werden. Die im Entwurf geforderte systematische Dokumentation von Entwicklungs- und Lernfortschritten sowie der pädagogischen Arbeit stellt allerdings erhöhte zeitliche und qualitative Anforderungen an die Erzieherinnen. In Aus- und Fortbildung seien die Erzieherinnen auf die gestiegenen Anforderungen vorzubereiten.
Vielerorts wird der Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätte und Familie sowie zwischen Kindertageseinrichtung und Grundschule schon jetzt eine hohe Bedeutung beigemessen. Dies zu intensivieren wird als wünschenswert erachtet, ist zugleich mit erhöhtem personellen Aufwand verbunden. Unklar blieb, wo die zusätzlich notwendigen Zeit- und Personalkontingente herkommen sollen, denn zu den strukturellen Rahmenbedingungen wird seitens der politisch Verantwortlichen nichts ausgesagt. Dies stieß nicht nur bei den anwesenden Trägervertretern sondern auch bei Erzieherinnen und Elternvertreterinnen auf großes Unverständnis.
Die Tagung in Mainz-Finthen war ein Meilenstein in der diözesanen Diskussion und Auseinandersetzung mit dem ministeriellen Entwurf. Die vielfältigen Anregungen der Teilnehmerinnen werden im Referat Kindertagesstätten des Diözesancaritasverbandes gebündelt und anschließend in den weiteren politischen Abstimmungsprozess eingebracht. Am Ende sollen Empfehlungen stehen, die von den gesellschaftlich relevanten Gruppen mitgetragen werden, da sie für viele Jahre die Arbeit der Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz prägend bestimmen sollen.
jow