Rheinland-Pfalz / Mainz. – Im Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland bahnen sich in den nächsten Jahren große Veränderungen an, die zum Überleben der Einrichtungen der Gesundheitshilfe wie zum Wohle der Patienten neue Handlungsstrategien notwendig machen. Als Träger und Zusammenschluss von Krankenhäusern, Sozialstationen und Altenpflegezentren hat die Caritas in Rheinland-Pfalz große Verantwortung für die Zukunft des Gesundheitswesens im Land. In erster Linie um der Patienten willen, die sich ihr anvertrauen, will sich die Caritas den kommenden Herausforderungen stellen. Bei einer Fachtagung in Mainz zeigte sie die Richtung auf, die die Zukunft bestimmen wird: Kooperation und Vernetzung. „Erfolg durch Kooperation – Vernetzung sichert Zukunft“ war der programmatische Titel der von 270 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besuchten Veranstaltung.
„Es geht um die Zukunft der Versorgung der alten und kranken Menschen“, führte der Mainzer Diözesancaritasdirektor Mario Junglas, zugleich Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Caritasverbände in Rheinland-Pfalz, in das Thema ein. Der Anteil der alten und kranken Menschen an der Bevölkerung steigt, während sich zugleich die Stimmen derer mehren, die eine angemessene Versorgung kaum mehr für finanzierbar halten. Kommen wird ab 2004 eine gravierende Umstellung des Vergütungssystems im Krankenhauswesen. Vergütet wird dann nicht mehr die Verweildauer des Patienten, sondern es werden für jede Krankheit festzulegende Fallpauschalen bezahlt. Das führt, so Junglas, zu einer kürzeren Verweildauer des einzelnen Patienten im Krankenhaus und wirft die Frage auf, wie eine gute Pflege und Therapie der kranken Menschen auf andere Weise sichergestellt werden kann. Die Zukunftschance sah Junglas in einer breiten Vernetzung und Kooperation zwischen Kliniken, Altenheimen, Sozialstationen, Hospizen und anderen Hilfeeinrichtungen.
Fallpauschalen und ihre Folgen
Vor dem Hintergrund seiner intimen Kenntnisse der Entwicklungen in den USA entwickelte Dr. Axel Paeger, Hauptgeschäftsführer der Asklepios Kliniken Lich GmbH, das Szenario, das uns ab 2004 erwarten wird: Solange den Kliniken, wie zur Zeit, die Verweildauer vergütet wird, haben sie auch ein gewisses geschäftliches Interesse daran, Patienten eher lange zu behalten. Wenn es ab 2004 zur Vergütung von Fallpauschalen kommt, sieht das anders aus. Die Kliniken werden dann ein Interesse daran haben, die Patienten möglichst schnell zu entlassen. In den USA hat die entsprechende Umstellung vor Jahren zur Halbierung der Verweildauer geführt und in der Folge zu einem erheblichen Bettenabbau im Krankenhauswesen. Auch bei uns ist mit einer ähnlichen, wenngleich nicht ganz so krassen Entwicklung zu rechen, so Paeger. Sein Fazit: An Kooperation führt kein Weg vorbei!
Zum einen müssen sich die Kliniken im dann einsetzenden Überlebenskampf als Institutionen profilieren, die auch nach der Entlassung eine angemessene Versorgung ihrer Patienten sicherstellen. Zum anderen müssen bestehende Einrichtungen wie Sozialstationen, Altenheime, Rehabilitationseinrichtungen, die die Nachsorge übernehmen können, sich flexibel auf die neue Situation einstellen und ggf auch weitere Formen der Hilfe entwickeln. Gegenüber dem heutigen Zustand wesentlich verbessert werden muss die „Patientenübergabe“, das heißt, es muss sichergestellt werden, dass die nachsorgende Institution alle wesentlichen Informationen, die sie über den Patienten braucht, auch unverzüglich bekommt.
Heike Schaarschmidt hat als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ein Kooperationsprojekt des Klinikums Ludwigshafen begleitet. Sie legte dar, dass Kooperationen sensible Prozesse darstellen, in die sich alle an der Gesundung Beteiligten freiwillig und Träger übergreifend einbringen müssen.
Beispiele erfolgreicher Kooperation
Während der Tagung wurden mehrere Beispiele erfolgreicher Kooperationen und Vernetzungen aus dem Caritasbereich und darüber hinaus vorgestellt. Eine 1998 geschlossene Kooperationsvereinbarung zwischen dem Krankenhaus „Hospital zum Heiligen Geist“ in Boppart und der Sozialstation Emmelshausen hat inzwischen zu einem breiten und durchlässigen Hilfeangebot für kranke und alte Menschen im Einzugsgebiet geführt, das auch die soziale Komponente mit umfasst. Dem Kooperationsverbund gehören an: das Krankenhaus, dem auch ein Altenpflegezentrum einschließlich der Möglichkeit zur Kurzzeitpflege angeschlossen ist, die Sozialstation und das Allgemeinene Hilfezentrum (AHZ) mit der Beratungs- und Koordinierungsstelle (BeKo), die beim Krankenhaus angesiedelte Ärztliche Notdienstzentrale, eine im Krankenhaus etablierte Dialysepraxis eines freien Arztes, der tägliche „Essen-auf-Rädern-Dienst“ und die verschiedenen Beratungsdienste der Caritas von der Allgemeinen Sozialberatung über die Schuldner- und Insolvenzberatung bis zur Sucht- und Drogenberatung. Dem Menschen in einer gesundheitlichen oder sozialen Notlage – die Grenzen zwischen beiden Bereichen sind oft fließend – kann so unter dem Dach der Caritas umfassende und breite Hilfe angeboten werden. Sichergestellt ist jeweils – wenn der Patient oder Hilfesuchende zustimmt – die „Patientenübergabe“. Das heißt, jeder am Hilfeprozess beteiligte Bereich bekommt die Informationen und Daten, die er zur erfolgreichen Fortführung seiner Arbeit braucht, von den Kooperationspartnern zur Verfügung gestellt.
Dem Patienten oder Hilfesuchenden steht es selbstverständlich frei, auch die Hilfen und Dienste anderer Anbieter in Anspruch zu nehmen. Wenn er es aber wünscht, bietet ihm die Caritas umfassende Hilfen „aus einer Hand“. Auch für die Kooperationspartner bietet diese Vernetzung zum Beispiel durch den schnellen und zuverlässigen Informationsaustausch und die Ausnutzung von Synergieeffekten Vorteile.
Weitere gelingende Kooperationsbeispiele, zum Teil auch über den Caritasbereich hinaus, wurden aus Stolberg und Borken dargestellt, während sich Kooperationsbeispiele aus Andernach, Dahn, St. Wendel und dem Westerwald am Rande der Tagung präsentierten.
„Es war ein guter Tag, der Impulse gegeben hat zum Thema `Kooperation sichert Zukunft´“, schloss der Speyerer Diözesancaritasdirektor Alfons Henrich die Tagung. Vernetzung spiele schon lange eine Rolle bei der Caritas, sagte er. Die neuen Herausforderungen machten sie um so notwendiger, damit die Caritas ihre Hilfen und Dienste weiterhin den Menschen anbieten kann, denn: „Für uns steht immer im Mittelpunkt der Mensch“.
J. Otto Weber