Migrationspolitische Eckpunkte, an denen sich die Politik in Hessen messen lassen müsse, haben die Caritasverbände für die Diözesen Limburg und Mainz gemeinsam mit weiteren Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Migrantenorganisationen und dem DGB-Hessen der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Vorfeld der Landtagswahlen in Hessen richten die Organisationen drei zentrale Erwartungen an die politischen Parteien: Bleiberecht für langjährig hier lebende Migranten, eine Härtefallkommission und ein Integrationskonzept.
„Wir erwarten, dass Hessen sich aktiv einsetzt für ein Bleiberecht für langjährig hier lebende Migranten“, sagte Dr. Hejo Manderscheid, Diözesancaritasdirektor in Limburg. Bislang verharren allein in Hessen rund 13.000 Migranten als sogenannte „Geduldete“ ohne Rückkehrmöglichkeiten, aber auch ohne Aufenthaltsperspektive. Diese Menschen suchten Rat bei der Rechtsberatung der Caritasverbände. Über 1500 Flüchtlinge konnten durch die Caritas-Rechtsberater im vergangenen Jahr bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützt werden.
Weiter plädieren die Verbände und Organisationen für die Einrichtung einer Härtefallkommission in Hessen, die sich mehrheitlich aus NGO-Vertretern (Vertretern von Nicht-Regierungs-Organisationen) zusammensetzen solle. „Die Caritas hält an der von den Kirchen seit Jahren erhobenen Forderung fest, auch in Hessen eine Härtefallkommission einzurichten“, bekräftigte Caritasdirektor Manderscheid. Härtefallkommissionen seien ein gebotenes Mittel, um unter restriktiven gesetzlichen Rahmenbedingungen mehr Transparenz und Einzelfallgerechtigkeit zu erreichen.
Als dritter Eckpunkt wird eine Anpassung des hessischen Integrationskonzeptes hinsichtlich weiterer Zuwanderungsgruppen eingefordert. Ein konsistentes Integrationskonzept dürfe nicht nur auf die bleibeberechtigten Zuwanderer begrenzt bleiben. „Integration auf Zeit“ für jene Menschen, bei denen offen ist, ob und wie lange sie bei uns bleiben, sei die aktuelle Herausforderung. Dazu Manderscheid: „Zuwanderer und unsere Gesellschaft insgesamt profitieren gemeinsam davon, wenn künftig Integrationsangebote wie Sprachkurse oder Ausbildungsmöglichkeiten so früh wie möglich allen offen stehen, die sich auf Zeit oder auf Dauer in Hessen aufhalten!“
Kontakt: Bernhard Zepf, Fon: 06431/997-179, und Hannah Aman, Fon 06131/2826-272
Presseerklärung vom 16.01.2003 im Wortlaut
Migrationspolitische Eckpunkte
der Flüchtlingsorganisationen und Wohlfahrtsverbände in Hessen
Die unterzeichnenden Verbände haben im Vorfeld der Landtagswahlen in Hessen und der bundesweiten Debatte um eine Reform des Zuwanderungsrechtes migrationspolitische Eckpunkte benannt, an denen sich eine Politik in Hessen messen lassen muss, die das friedliche Zusammenleben von Einheimischen und Zugewanderten, deren gesellschaftliche Teilhabe und Integration zum Ziele hat.
1.
Hessen unterstützt aktiv ein Bleiberecht für
langjährig hier lebende Migrantinnen und Migranten und setzt sich im Bundesrat
und in der IMK für eine entsprechende abschließende Altfallregelung ein:
In Hessen leben seit nunmehr über fünf Jahren nahezu 13.000 Menschen ununterbrochen
ohne gesicherten Aufenthalt im Status einer sogenannten ‚Duldung’. Diesen
Menschen wurde damit kein formales Aufenthaltsrecht gewährt, sie können gleichwohl
aus unterschiedlichen faktischen Gründen die Bundesrepublik nicht wieder verlassen.
Die Unterzeichner schließen sich ausdrücklich der Forderung von Pro Asyl und
der Konferenz der Ausländerbeauftragten in Deutschland nach einem umfassenden
Bleiberecht für langjährig Geduldete an. Eine solche Bleiberechtsregelung
drängt sich auch aus integrationspolitischen Überlegungen auf. Es entspricht
der Menschenwürde und nützt sowohl den betroffenen Migrantinnen und Migranten
als auch der Gesellschaft, wenn ihre Mitglieder für ihren Lebensunterhalt
selbst aufkommen und ihre Lebensplanung in eigener Verantwortung gestalten
können, anstatt gegen ihren Willen von staatlichen Unterstützungen abhängig
sein zu müssen. Mit einem gesicherten Aufenthaltsrecht werden nicht nur die
Verwaltungen entlastet, über Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sowie als
Konsumenten können die Betroffenen auch zum Wohl der Aufnahmegesellschaft beitragen.
2.
Hessen richtet eine Härtefallkommission ein, die sich
mehrheitlich aus NGO-Vertretern zusammensetzt. Verfahrensgrundsätze dieser
Kommission werden gemeinsam von Politik und NGO’s abgestimmt.
Härtefallkommissionen können dazu beitragen, festgefahrene humanitär
bedenkliche Fälle in einer guten und für alle Beteiligten akzeptablen Weise zu
lösen. Mit der Einrichtung einer Härtefallkommission sollen folgende
wesentliche Ziele erreicht werden: Demokratisierung und Verbesserung der
Transparenz des Verfahrens sowie das Streben nach größtmöglicher
Einzelfallgerechtigkeit. Mit ihrer Arbeit ergänzt und entlastet sie den
Petitionsausschuss des Hessischen Landtages. Je restriktiver die allgemein
gesetzlichen Rahmenbedingungen ausgestaltet werden, um so mehr besteht die
Notwendigkeit zur Abwendung von humanitären und persönlichen Härten im Einzelfall.
3.
Hessen passt sein Integrationskonzept hinsichtlich
weiterer Zuwanderungsgruppen an.
Ein umfassendes und konsistentes Integrationskonzept darf nicht auf die sog.
bleibeberechtigten Zuwanderer begrenzt sein. Die alleinige Fokussierung auf den
Aufenthaltsstatus steht nicht in Übereinstimmung mit den Bedarfslagen und der
Lebenswirklichkeit der hier lebenden Zuwanderer und ihrer Familien und
widerspricht auch den Integrationsanliegen des Aufnahmelandes, wenn
Integrationsmaßnahmen bei weiterem Aufenthalt zu spät einsetzen. So leben
beispielsweise viele de-facto-Flüchtlinge mit unsicherer Bleibeprognose bereits
seit vielen Jahren im Land.
Die Hessische Landesregierung muss sich dieser Tatsache stellen und konsequenterweise
auch Flüchtlinge und Asylsuchende in das Integrationskonzept einbinden.
Integrationsangebote wie Sprach- und Orientierungskurse, Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeiten
sollen künftig in Hessen allen Zugewanderten offen stehen, die sich auf Zeit
oder auf Dauer hier aufhalten.
Für die unterzeichnenden Verbände und Organisationen stellen diese drei Eckpunkte die derzeit zentralen Themen einer an Humanität und Menschenwürde sowie praktizierter Nächstenliebe und Solidarität ausgerichteten hessischen Flüchtlings- und Migrationspolitik dar. Wir erwarten von den Parteien, dass sie diese zum Handlungsmaßstab des eigenen politischen Handelns in Hessen machen.
Die Unterzeichner:
Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Hessen-Süd e.V.
Caritasverband für die Diözese Limburg e.V.
Caritasverband für die Diözese Mainz e.V.
Diakonisches Werk Hessen und Nassau
Diakonisches Werk in Kurhessen-Waldeck e.V.
Paritätischer Wohlfahrtsverband, Landesverband Hessen e.V.
Interkultureller Beauftragter der EK HN und des DW HN
Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen (AGAH) - Landesausländerbeirat
Deutscher Gewerkschaftsbund Landesbezirk Hessen
Hessischer Flüchtlingsrat
Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V.
Arbeitsstelle für Aussiedler, Ausländer und Asylsuchende der EK K-W