27. September 2011
Beratung statt Almosen
Fachtagung von Diözesancaritasverband
und Deutschem Caritasverband zur Wirksamkeit von „Tafeln“
Mainz. „
Die Ausgabe von kostenlosen
Lebensmitteln stellt für viele Betroffenen eine wichtige Hilfe in einer akuten
Notsituation dar. Zur Überwindung ihrer Armutssituation muss diese Hilfe aber
durch beratende Angebote flankiert werden, die den Betroffenen helfen,
Rechtsansprüche geltend zu machen, sich in der Gesellschaft Gehör zu verschaffen
und mittelfristig ihre Armutssituation zu überwinden.“ Darauf hat
Diözesancaritasdirektor
Thomas
Domnick
bei der heutigen Fachtagung „Lebensmittelausgaben/Tafeln“ im Bischof
Stohr
-Haus in Mainz-Bretzenheim hingewiesen.
An
der vom Caritasverband für die Diözese gemeinsam mit dem Deutschen
Caritasverband durchgeführten Veranstaltung nahmen rund 40 Personen teil,
darunter ehrenamtliche Leitungen kirchlich-caritativer Lebensmittelausgaben/Tafeln,
sowie
hauptamtliche Verantwortliche von
Lebensmittelausgaben/Tafeln in den Pfarrgemeinden im Bistum Mainz. Kritisch
setzten sich die Tagungsteilnehmer mit der Frage auseinander, ob kostenlose Lebensmittelausgaben
und Tafelangebote die Ausgrenzung von Betroffenen befördern. Hinterfragt wurde,
ob die kostenlosen Angebote einen Abhängigkeitsmarkt schaffen ohne dass die
Betroffenen die Möglichkeit haben am normalen Alltag teilzunehmen.
Eingeladen
war der Soziologe Professor Stefan
Selke
(Hochschule
Furtwangen), der Ergebnisse einer Untersuchung zur Wirksamkeit von
Lebensmittelausgaben/Tafeln von katholischen und caritativen Anbietern in
Nordrhein-Westfalen vorstellte. Bei der Befragung der Nutzerinnen und Nutzer der
Lebensmittelausgaben, brachte eine Person vor, wie sehr sie sich durch das
Angewiesen-Sein auf kostenlose Lebensmittel und den Besuch einer Lebensmittelausgabe
ins gesellschaftliche Abseits gedrängt fühlt. „Mittlerweile habe ich mich daran
gewöhnt! Zuerst habe ich mich sehr schwer damit getan! Weil ich das blöde fand,
als Nummer abgewickelt zu werden, und dann fühlt man sich natürlich als Mensch
dritter Klasse.“
Auf
das Spannungsverhältnis durch wohlgemeinte Fürsorge zu einer Verfestigung von Armutsstrukturen
beizutragen, wies auch Markus Günter, Leiter des Referates Familie und Generationen
beim Deutschen Caritasverband (DCV) hin. „Die Ausgabe von Lebensmitteln und
Waren allein ist nicht geeignet, die individuellen oder auch strukturellen
Ursachen von Armut zu bekämpfen“, zitierte Günter aus einem Eckpunktepapier des
Deutschen Caritasverbandes aus dem Jahr 2008, das sich an die Träger von
Lebensmittelausgaben und Tafeln richtet. „Wer Lebensmittelausgaben betreibt,
übernimmt Verantwortung dafür, für Bedingungen einzutreten, die den
Befähigungsgedanken in den Mittelpunkt stellen und den Anspruch des Sozialgesetzbuches
auf selbstbestimmte Teilhabe unterstützen“, schloss Günter sein Statement.
Lebensmittelausgaben zu
sozialen Kompetenzzentren weiter entwickeln
Diözesancaritasdirektor
Thomas
Domnick
verwies darauf, dass viele Lebensmittelausgaben im Bistum Mainz auch Beratungs-
und Treffangebote anbieten. Er dankte den ehrenamtlichen Helferinnen und
-helfer in den Lebensmittelausgaben. Neben einer Erstberatung in sozialrechtlichen
Fragen vermittelten die Mitarbeiter der Lebensmittelausgaben oft auch zu weiterführenden
Hilfsangeboten. „Lebensmittelausgaben sind nicht nur Anlauf- und
Ausgabestellen, sondern vielfach heute schon soziale Kompetenzzentren. Diesen
Ansatz gilt es weiter zu entwickeln“, betonte
Domnick
.
So
findet beispielsweise im Brotkorb Rödermark, einer von den katholischen und
evangelischen Gemeinden vor Ort getragenen Initiative, zeitgleich zur
wöchentlichen Lebensmittelausgabe eine Sprechstunde der Allgemeinen Lebensberatung
der Caritas Außenstelle Dreieich statt. „Die Menschen suchen das
vertrauensvolle Gespräch mit uns“, sagt Montserrat
Mojica
,
Mitarbeiterin der Allgemeinen Lebensberatung. Die Sprechstunde wird im
Durchschnitt von sechs bis acht Brotkorb-Kundinnen und -Kunden genutzt. Meist
geht es bei der Beratung um Fragen zum Leistungsbescheid, um Probleme mit
Ämtern und Behörden oder allgemeine Fragen zur Existenzsicherung.
Kontakt:
Weiterführende
Informationen bei Hermann
Ohler
, Referent für
Besondere Lebenslagen beim Diözesancaritasverband, Telefon: 06131/2826-273,
E-Mail: hermann.ohler@caritas-bistum-mainz.de
(
ond
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