29. März 2011
Aussetzung der
Wehrpflicht beendet Ära des Zivildienstes
Am 01. Juli 2011 startet der
Bundesfreiwilligendienst / Jung und Alt sind angesprochen
Ilbenstadt.
Sie sind die Letzten, die zurzeit ihren
Zivildienst in katholischen Einrichtungen im Bistum Mainz ableisten. Einigen
der 24 Männer, die im Haus St. Gottfried des Jugendwerks Ilbenstadt zusammen
gekommen sind, steht deshalb die Lustlosigkeit ins Gesicht geschrieben. Eine Woche
lang haben die Zivildienstleistenden (Zivis) aus den Bistümern Fulda, Limburg,
Mainz und Speyer ihren Einsatz in katholischen Einrichtungen reflektiert.
Auf dem Programm stand unter anderem
Erlebnispädagogik wie Bogenschießen oder ein Selbsterfahrungstag, bei der die
Teilnehmer in die Rolle eines Rollstuhlfahrers schlüpfen. Doch irgendwie will
der Funke auf die allerletzten Zivis nicht so recht überspringen. „Die Luft ist
raus“, sagt Daniel Corvo, als einer von drei Teamern für die pädagogische Begleitung
der Zivildienstleistenden verantwortlich. Er kann verstehen, dass sich ein
Großteil der Anwesenden ungerecht behandelt fühlt. „Sie fragen sich natürlich,
warum ausgerechnet sie noch mal ran müssen und andere nicht“, sagt Corvo, der
seit elf Jahren Zivildienstleistende pädagogisch begleitet.
„Ich bringe das jetzt hinter mich“
Am 30. Juni
werden die Teilnehmer des Ilbenstädter Einführungskurses zum letzten Mal ihren
Dienst als Zivis antreten. Hintergrund ist die Abschaffung des Wehrdienstes und
damit auch der zwangsweisen Verpflichtung von Zivildienstleistenden. „Ich
bringe das jetzt hinter mich“, sagt Hendrik Heim, der bis dahin in der Kinder-
und Jugendhilfeeinrichtung St. Hildegard in Bingen in der Haustechnik und im
Fahrdienst eingesetzt ist. Statt Glühbirnen in den sechs Wohngruppen
auszuwechseln und Kinder zum Therapeuten oder zur Schule zu fahren, hätte der
20-Jährige lieber ein Studium der Sportwissenschaft in Köln angetreten. „Für
mich ist das hier verlorene Zeit“, sagt er.
Ganz anders
empfindet Zivi Tobias Krampitz aus Fulda seine Situation. „Der Zivildienst fördert
das Soziale in mir“, sagt er. Der 23-Jährige fährt im Auftrag des
Jugendhilfeverband St. Elisabeth (Fulda) verhaltensauffällige Kinder von der
Schule in eine betreute Tagesgruppe in Marbach. Hin und wieder komme es vor,
dass eines der zehn- bis zwölfjährigen Kinder auf der Fahrt ‚austicke’. „Am
Anfang habe ich gedacht: ‚was geht denn hier ab’“, sagt Krampitz. Doch nachdem
er mehr über die familiären Hintergründe der Kinder erfahren habe, sei sein
Verständnis für deren Erkrankungen gewachsen. „Ich urteile jetzt nicht mehr so
schnell wie früher“, sagt Krampitz, der mit dem Zivildienst eigentlich nur die
Zeit zwischen seiner Ausbildung zum Elektrotechniker und dem Fachabitur
überbrücken wollte.
Signal für mehr zivilgesellschaftliches
Engagement
Beim
Caritasverband für die Diözese Mainz sieht man dem Ende des Zivildienstes mit gemischten
Gefühlen entgegen. „Der Zivildienst hat – trotz seines Zwangscharakters –
vielen jungen Männern ermöglicht, sich persönlich weiter zu entwickeln, sich sozial
und beruflich zu orientieren“, sagt Diözesancaritasdirektor Thomas Domnick. Davon
habe die ganze Gesellschaft profitiert.
Von der
Einführung des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) erhofft sich Domnick ein Signal
hin zu mehr zivilgesellschaftlichem Engagement aller Altersgruppen. „Der
Bundesfreiwilligendienst ist offen für alle: für Jüngere und Ältere, für
Menschen, die sich beruflich orientieren oder wieder einsteigen wollen“, betont
Domnick.
Die Sorge, dass
für die zuletzt 219 besetzten Zivildienstplätze im Bistum Mainz, nicht genügend
Freiwillige gefunden werden, teilt Domnick nicht. „Natürlich werden wir zu
Beginn nicht alle Plätze besetzen können. Aber nach spätestens drei Jahren ist
zu erwarten, dass sich das neue Angebot herumgesprochen und etabliert hat.“ Dann
erwartet Domnick, dass jährlich bis zu 240 Freiwillige ihren Dienst in
katholischen Einrichtungen im Bistum Mainz versehen. Grund für diesen
Optimismus, sieht Domnick auch deshalb gegeben, weil der neue Dienst potentiell
alle Menschen anspreche und nicht nur die Gruppe der jungen Männer.
Dass der
Bundesfreiwilligendienst zur Klärung beruflicher Perspektiven beitragen könne
–
davon ist Heribert Gabel, Referent für
Zivildienst und Freiwilligendienste beim Caritasverband für die Diözese Mainz,
überzeugt. „Die Caritas bietet eine enorme Bandbreite an Berufen: von medizinisch-pflegerischen
und pädagogischen Tätigkeiten über pastorale Berufe bis hin zu kaufmännischen
und technischen Aufgaben. Wer sich für den Bundesfreiwilligendienst interessiert,
kann sich direkt an die katholischen Einrichtungen oder den Caritasverband für
die Diözese Mainz e. V. wenden. Gabel: „Wir empfehlen den Bewerberinnen und
Bewerbern vorab eine ein- bis zweitägige Hospitation in ihrer Wunscheinrichtung.“
Bundesfreiwilligendienst
Der zum 01. Juli
geplante Bundesfreiwilligendienst (BFD) richtet sich an Männer und Frauen aller
Altersgruppen, die sich für das Allgemeinwohl engagieren wollen. Die Dauer
beträgt ähnlich wie beim Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) zwischen 6, 12 und 18
Monate. Ähnlich dem FSJ findet eine pädagogische Begleitung statt.
Zivildienst
Bis vor einigen
Jahren traten im Schnitt 250 Zivildienstleistende pro Jahr ihren Dienst in sozialen
Einrichtungen im Bistum Mainz an. Durch die Verkürzung des Zivildienstes auf
zuletzt sechs Monate sank diese Zahl kontinuierlich. Zurzeit sind noch 121
„Zivis“ im Einsatz: zwei Drittel (74) sind in der Pflege und Betreuung von
Alten, Behinderten sowie Kindern- und Jugendlichen tätig, ein Drittel im
technischen Dienst (35), in der Versorgung (7), im Garten (3) und im Fahrdienst
(2).
Kontakt:
Heribert Gabel,
Referent für Fortbildung Pflege/ Zivildienst und Freiwilligendienste beim
Caritasverband für die Diözese Mainz e.V., Telefon: 06131/2826-252,
E-mail:
heribert.gabel@caritas-bistum-mainz.de
(ond)