Region Rhein-Main-Neckar. – Mit der
Wahl des Themas „Rehabilitation im Verbund“ für ihren Fachtag 2005 ist die
Bensheimer Klinik Schloß Falkenhof, Fachklinik des Caritasverbandes Darmstadt
für Menschen mit Suchtabhängigkeiten, auf großes Interesse gestoßen. 120
Expertinnen und Experten von Jobcentern, Beratungsstellen für Suchtkranke,
betrieblichen Sozialdiensten und kommunalen Dienststellen aus dem Gesundheitsbereich
sind der Einladung gefolgt. Sie kamen aus dem gesamten Rhein-Main-Neckar-Raum,
um sich mit den Zusammenhängen zwischen Arbeitslosigkeit und Sucht zu befassen
und auch darüber nachzudenken, ob und wie Arbeitsagenturen und Jobcenter das
große Know-how von Caritas und Diakonie in der ambulanten und stationären
Suchtkrankenhilfe nutzen können. Dr. Carlo Schmid, der ärztliche Leiter der Fachklinik,
zeigte mit Hinweis auf wissenschaftliche Untersuchungen eindeutig auf, dass Arbeitslosigkeit
das Entstehen von Suchtkrankheiten genau so wie Rückfälle nach erfolgreicher
Therapie begünstigt. Aus dem Kreis Ludwigsburg haben sodann Martina Heißwolf
und Karl Riedl den Konsiliardienst vorgestellt, ein bisher ziemlich einmaliges
Kooperationsmodell zwischen der Agentur für Arbeit und der Suchtkrankenhilfe
von Caritas und Diakonie. Das Improvisationstheater „Wilde Bühne“ aus Stuttgart
hat mit ebenso witzigen wie gekonnt dargestellten Beiträgen die Thematik
aufgelockert. Seine Akteure sind ehemals Suchtabhängige.
Arbeitslosigkeit und Sucht stehen in
einem engen Beziehungszusammenhang und bedingen sich gegenseitig, so Dr. Carlo
Schmid in seinem Fachvortrag. Steigende Arbeitslosigkeit lässt nach
amerikanischen Untersuchungen die Zahl der Verbrechen wie auch die Aufnahmen in
psychiatrische Kliniken steigen. Die Zahl der Morde zum Beispiel stieg nach
einer der Untersuchungen um 5,7, die der Selbstmorde um 4,1 und die der
Aufnahmen in Gefängnisse um 4,0 Prozent. Eindeutig nachgewiesen ist, dass drohende
Arbeitslosigkeit und Arbeitslosigkeit zu einer signifikanten Zunahme des Alkoholkonsums
in der Bevölkerung vor allem bei Spirituosen führt. Nach erfolgreicher stationärer
Entwöhnung
beträgt die Rückfallquote
während der ersten sechs Monate bei Erwerbstätigen 27 Prozent. Bei Arbeitslosen
ist sie mit 56 Prozent mehr als doppelt so hoch. Arbeitslosigkeit, damit
verbundene fehlende Tagesstruktur und fehlende Sinnhaftigkeit sind
Hauptursachen für die Rückfälligkeit nach der Therapie, so der ärztliche Leiter
der Klinik.
Hartz IV – Risiken und Chancen für
Suchtkranke
Nach der neuen Hartz IV-Gesetzgebung
ist der Fallmanager gehalten, einem Arbeitslosen, der eine Suchtabhängigkeit zu
erkennen gibt, eine Therapie zu ermöglichen. Darin liegen Risiken und Chancen.
Das Risiko beseht darin, dass der Fallmanager zu wenig oder nichts von der
Suchtkrankheit und ihren vielfältigen Erscheinungsformen versteht und deshalb
dem von ihm betreuten Arbeitslosen Auflagen macht, die nicht weiterführen. Das
kann für den Betroffenen zu Kürzungen und Streichungen des eh schon knapp
bemessenen Arbeitslosengeldes führen. Die Chance besteht darin, dass durch
Nachhilfe des Fallmanagers der suchtkranke Arbeitslose zu einer Therapie motiviert
werden kann, die ihn bei erfolgreichem Verlauf wieder frei vom Suchtmittel, zumeist
Alkohol, leben lässt und ihm somit zu einer höheren Lebensqualität verhilft. In
der Praxis ist das schwierig. Jobcenter und Arbeitsagenturen können bestimmte
Maßnahmen anordnen und bei deren Nichtbefolgen mit Sanktionen drohen. Die
Suchtkrankenberatung setzt dagegen auf Einsicht bei den Betroffenen und
freiwilliges Mitwirken.
Das Ludwigsburger Kooperationsmodell
Im Kreis Ludwigsburg hat sich aus der
Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsagentur und der Suchtkrankenberatung von
Caritas und Diakonie ein Modell entwickelt, das erfolgreich diese Spannung auf
ein Minimum verringert: Die Diplom-Psychologin Martina Heißwolf ist
Mitarbeiterin der psychosozialen Beratungsstelle des Caritaszentrums und der
Kreisdiakonie Ludwigsburg. Sie ist nur diesen Dienstgebern gegenüber verantwortlich
und unterliegt der Schweigepflicht. Ihr Büro hat sie aber nicht bei der Caritas
und nicht bei der Diakonie, sondern in der Agentur für Arbeit Ludwigsburg. Dadurch
kennt sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Agentur für Arbeit und ist
bei diesen bekannt. Zusammen mit Karl Riedl, Mitarbeiter der Agentur für Arbeit
Ludwigsburg, stellte sie das „Konsiliardienst“ genannte Kooperationsmodell vor.
So funktioniert der Konsiliardienst
Wird bei der Agentur für Arbeit im Zuge
der Beratung ein Fall von Suchterkrankung bekannt, wird der Betroffene gebeten,
sich mit Martina Heißwolf in Verbindung zu setzen. Zugleich wird ihr der Name
dieser Person gemeldet. Sie lädt ihn dann zu einem ersten Beratungsgespräch
ein. Manchmal läuft es auch ganz unkompliziert so, dass ein Mitarbeiter der
Agentur für Arbeit anruft und fragt, ob er eben mal mit einem neuen Klienten zu
ihr kommen und ihr die betreffende Person vorstellen könne. Martina Heißwolf
führt dann eine ganz normale Suchtkrankenberatung durch und sucht je nach der
Art der Erkrankung zusammen mit dem Betroffenen die aussichtsreichste Therapie
aus, gleich ob ambulant oder stationär. Vom Inhalt der Beratungsgespräche
erfährt die Agentur für Arbeit nichts. Es wird ihr lediglich gemeldet, ob die
vereinbarten Termine auch tatsächlich wahrgenommen wurden oder nicht. In dieser
beschützten Atmosphäre kann das Feld bereitet werden, das die Voraussetzung für
eine erfolgreiche Therapie darstellt. Martina Heißwolf hat aber auch die Chance
und nutzt sie, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Agentur für Arbeit
über Suchtkrankheit und die möglichen Wege der Hilfe ins Gespräch zu kommen.
Das lässt bei diesen ein neues Verständnis für Suchtkranke und ihre Probleme
wachsen. Während man früher auch bei der Agentur für Arbeit in Ludwigsburg die
Auffassung vertrat, nach erfolgter Therapie solle man ehemalige Suchtabhängige
erst dann in eine Arbeit vermitteln, wenn sie sich ein halbes Jahr lang stabil
gezeigt, also keinen Rückfall gehabt haben. Heute wächst dank Martina Heißwolfs
Aufklärung bei der Agentur für Arbeitr die Erkenntnis, dass nach der Therapie
Arbeit entscheidend dazu beiträgt, die erreichten Erfolge zu sichern.
Ein starkes Hilfenetz
Ein Netz von Fachambulanzen und
Beratungsstellen für Suchtkranke in Kombination mit den stationären Angeboten
der Klinik Schloß Falkenhof, der Tagesrehabilitation, die Anfang Mai in
Darmstadt eröffnet wird, der Adaptionseinrichtung in Heppenheim und der
Kooperation mit der Selbsthilfebewegung Kreuzbund sind ideale Partner auch für
die Jobcenter in der Region, sagte der Darmstädter Caritasdirektor Dr. Werner
Veith in einem Grußwort. Dabei erwähnte er auch KiS, das Kooperationsmodell für
integrierte Suchthilfe, das Dr. Carlo Schmid und Verwaltungsleiter Karl-Heinz
Schön bereits 2003 entwickelt haben. Es stellt den Ablauf vom ersten Gespräch
am Schreibtisch des Fallmanagers bis hin zu einer Wiedereingliederung ins
Berufsleben dar. Bei seiner Umsetzung, so Schön, seien erhebliche
Kostenersparnisse sowohl für Betriebe wie auch für Träger von Renten- und
Krankenversicherungen und für Kommunen zu erwarten.
J. Otto Weber
Kontakt:
Klinik
Schloß Falkenhof
Fachklinik
für Abhängigkeitserkrankungen
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Bensheim
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