Mainz. - Der Sozialdienst Katholischer Frauen Mainz e.V. (SkF) hat am Montag, 4. November, die „Aktion Moses“ zur Hilfe für schwangere Frauen in Krisensituationen gestartet. Das Projekt umfasst drei Bausteine: einen 24-Stunden-Notruf mit der Rufnummer 01805-088880, die Möglichkeit der anonymen Entbindung einschließlich Vor- und Nachsorge für Mutter und Kind im St. Vincenz und Elisabeth Hospital in Mainz und ein „Babyfenster“ am Bruder-Konrad-Stift in der Mainzer Altstadt, wo Mütter, die heimlich geboren haben, ihr Kind abgeben können, um sein Leben zu retten. Mit Segnung des Babyfensters durch Generalvikar Dr. Werner Guballa wurde die „Aktion Moses“ eröffnet. Der Name des Projekts erinnert an die biblische Erzählung über Moses, der in einem Binsenkörbchen auf dem Nil ausgesetzt und von der Tochter des Pharao gerettet wurde. Inge Schilling, die Vorsitzende des SkF Mainz, nannte dies bei der Begrüßung der vielen Gäste ein „Beispiel funktionierender Frauensolidarität“.
Während Babyfenster bereits in mehreren anderen Städten in Rheinland-Pfalz eingerichtet wurden, haben der 24-Stunden-Notruf und die Möglichkeit der anonymen Entbindung bisher singulären Charakter in diesem Bundesland. Beide begleitende Maßnahmen haben das Ziel, ratlosen schwangeren Frauen im Vorfeld Hilfen anzubieten, dass sie vom Babyfenster nicht Gebrauch machen müssen. Das Babyfenster soll letzter Ausweg sein, wenigstens das Leben des Neugeborenen zu retten.
Hüser: Babyfenster letzter Ausweg
Der SkF Mainz will durch die Aktion Moses, wie SkF-Vorstandsmitglied Ursula Hüser betonte, die Frauen erreichen, die eine ungewollte Schwangerschaft austragen, aber als Mutter unentdeckt bleiben wollen. „Wer anonym entbindet“, so Ursula Hüser, „hat einen 9 Monate dauernden Leidensweg hinter sich. Neun Monate lang schieben die betroffenen Frauen ihre Probleme vor sich her. Sie sind isoliert, einsam, ratlos. Wenn sie weder Hilfe durch Beratungsstellen noch ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und oftmals heimlich entbinden, besteht eine konkrete Gefahr für Gesundheit und Leben von Mutter und Kind“, unterstrich Hüser.
Im so genannten Babyfenster im Bruder-Konrad-Stift können Mütter ihr Kind in einer extremen Notsituation, zum Beispiel weil sie die Schwangerschaft verdrängt hatten und von den Wehen überrascht wurden, anonym abgeben. In einem kleinen Flur steht Tag und Nacht ein Kinderbett bereit, in das die Mutter ihr Kind legen kann. Dadurch wird ein Klingelzeichen bei den diensthabenden Marienschwestern ausgelöst, die sich innerhalb weniger Minuten um das Kind kümmern und auch für medizinische Betreuung sorgen. Die Mutter kann auch klingeln und das Kind einer der Schwestern unter Wahrung ihrer Anonymität persönlich abgeben. Sollte es der Mutter körperlich schlecht gehen, steht ein Zimmer mit Bett in unmittelbarer Nähe des Babyfensters, in dem sie untergebracht und versorgt werden kann.
Notruftelefon 01805-088880
Das Notruftelefon mit der Rufnummer 01805-088880 sei ein niederschwelliges Angebot mit der Garantie absoluter Anonymität, betonte Hüser. Es ist tagsüber mit Beraterinnen des SkF Mainz besetzt, außerhalb der Dienstzeiten mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Telefonseelsorge Mainz-Wiesbaden. Die Telefonseelsorge garantiere wie der SkF eine kompetente Beratung in persönlichen Lebenskrisen, unterstrich Hüser. Der Notruf solle durch das Medium Telefon und durch die Anonymität den Zugang zu den Frauen in akuten Krisensituationen erleichtern. Die Beraterinnen sollten eine Vertrauensbasis aufbauen, auf deren Grundlage sich die Frau „öffnen kann für die vielfältigen Hilfsangebote wie Schwangeren- und Adoptionsberatung“.
Eine Alternative: Anonyme Geburt
Prof. Dr. med. Wolfgang Wiest, Leiter der Gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung des St. Vincenz und Elisabeth Hospitals erklärte, dass Ärzte, Hebammen und Kinderkrankenschwestern werdenden Müttern in einer persönlichen Extremsituation Betreuung anbieten und verhindern möchten, dass sie ihr Kind ohne medizinische Hilfe zur Welt bringen. Da sich das Risiko für Mutter und Kind ohne eine Voruntersuchung erhöhe, biete das Krankenhaus auch anonyme und für die betroffene Mutter kostenfreie Voruntersuchung an. Nach der anonymen Geburt komme das Krankenhaus auch der Meldepflicht nach, allerdings unter Weglassen des Namens und Geburtsdatums der Mutter.
Guballa: Not der Mutter soll nicht Tragik für das Kind werden
Der Mainzer Generalvikar Dr. Werner Guballa, der das Baby-Fenster segnete, erklärte, die Aktion Moses sei eine Antwort auf eine extreme Notsituation, um eine Mutter nicht alleine zu lassen und um einem Kind den Weg ins Leben zu ermöglichen, denn der christliche Glaube sage: „Jedes Kind hat eine Zukunft, denn es hat ein gottgewolltes Gesicht und einen von ihm gegebenen Namen.“ Im christlichen Glauben lebe die Überzeugung, dass jedes Kind, das geboren wird, „eine offene Tür Gottes in unsere Welt hinein ist“, zugleich die Bitte an die Menschen, „dieses Kind als seine gute Botschaft anzunehmen“. Der Generalvikar stellte fest, dass eine werdende Mutter den Eindruck haben könne, dass eine ganze Welt sich gegen sie verschworen habe, dass ihr nun alle Türen verschlossen seien. Dieser Not eines bedrängten Menschen solle eine notwendende Antwort gegeben werden durch das Angebot von Beratung und Begleitung, durch die Möglichkeit einer anonymen Geburt und als letzten Ausweg durch die geöffnete Tür des Baby-Fensters. Eine Tür sei geöffnet, „damit die Not der Mutter nicht zur Tragik für das Kind wird“.
Initiiert vom Verein „Zukunft für Kinder in Rheinland-Pfalz“
Die Vorsitzende des Vereins „Zukunft für Kinder in Rheinland-Pfalz e. V.“, Rita Wagner, erinnerte daran, dass der Verein die Babyklappe aufgrund von Presseberichten über ausgesetzte Kinder initiiert hatte. Der Verein sei froh, im Caritas-Fachverband SkF einen kompetenten Träger für die Aktion Moses gefunden zu haben. Der Verein werde die Aktion Moses auch in Zukunft begleiten und auch finanziell unterstützen.
Kleine Seitengasse in zentraler Lage
Das Babyfenster an der Rückseite des Bruder-Konrad-Stiftes in der Kappelhofgasse ist in der Nähe des Holzturmes – eines der Wahrzeichen der Stadt Mainz – von der Rheinstraße aus leicht zu erreichen. Die Eingangstür ist durch eine Lichtsäule mit der Inschrift Babyfenster leicht zu finden.
Jürgen Strickstrock / jow
Hinweis: Projekt auf Spenden angewiesen
Finanziert wird die Aktion Moses durch Spenden an den SkF Mainz e. V., Spendenkonto: 400 4707 015 bei der Pax-Bank eG (BLZ 370 601 93)