Mainz. Der Bischof von Mainz, Kardinal Karl Lehmann, hat kritisiert, dass zu oft nur von einer Überalterung der Gesellschaft und einer wachsenden Alterspyramide gesprochen werde. In einem Gottesdienst anlässlich der Einweihung von Erweiterungsbauten des Bruder Konrad-Stifts in der Mainzer Altstadt mahnte Lehmann am Mittwoch, 4. September: „Wir sollten nicht zu negativ reden, dass die Gesellschaft vergreist.“ Viel wichtiger sei es, sich darüber zu freuen, „dass Menschen, die sich ein Leben lang abgearbeitet haben, zur Ruhe kommen dürfen“. Das Altenheim Bruder-Konrad-Stift, das seit 1929 vom Orden der Marienschwestern getragen wird, biete dafür eine ideale Möglichkeit.
Der Kardinal unterstrich den Wert und die Würde des Alters. „Die Gesellschaft muss wissen, was sie an den alten Menschen mit ihrer Erfahrung hat“, mahnte er. Es sei gut, die Alten zu fragen und zu hören, was sie aus ihren Erfahrungen zu sagen haben. Die abendländische Kultur bestimme das Alter von dieser Autorität her, „die vom Vorsprung größerer Erfahrung kommt“. Bei der anschließenden Einweihungsfeier bekräftigte Lehmann, dass jede Lebensstufe ihren eigenen Wert hat. Nachdrücklich dankte er den Marienschwestern, die den Neubau mit großer Hartnäckigkeit ermöglicht haben. Ebenso dankte er der Stadt Mainz und dem Land Rheinland-Pfalz, die das Projekt zu 80 Prozent finanziert haben, den Architekten und Handwerken sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Altenheims.
132 Plätze
Die Heimleiterin und Generaloberin der Marienschwestern, Schwester Gertrudis Treiber, berichtete, dass es zwölf Jahre gedauert habe, bis 1999 mit den Um- und Erweiterungsbauten begonnen werden konnte. Die Planung hatte nach ihren Worten ein vierfaches Ziel: Das Bruder Konrad-Stift sollte für die Bewohner Heimat sein, dem Personal gute Arbeitsmöglichkeiten bieten, eine preisgünstige Bewirtschaftung ermöglichen und gemäß dem christlichen Menschenbild ein Haus bleiben, in dem die Würde des Menschen als das Wichtigste angesehen wird. Das Haus verfügt über 132 Plätze, 90 davon in Ein-Personen-Wohneinheiten und 42 in Doppelzimmern, die wegen der baulichen Situation in Kauf genommen werden mussten, wie Schwester Gertrudis betonte. Zusätzlich werden noch sechs Kurzzeitpflegeplätze und acht Plätze für Tagespflege geschaffen. Allerdings sei es zur Zeit schwer, das dafür notwendige Fachpersonal zu bekommen, merkte die Heimleiterin an.
Knapp 12 Millionen Euro
Die Gesamtkosten der Neubauten in Höhe von ca. 11,87 Millionen Euro wurden mit je 4,27 Mio. € vom Land Rheinland-Pfalz und von der Stadt Mainz getragen. Hinzu kamen Eigenmittel in Höhe von 3 Mio € und 300.000 € von der Glücksspirale. Das Bistum Mainz übernahm einen Großteil der darüber hinaus anfallenden Kosten wie z.B. für die Einrichtung einer neuen Küche. Im Bruder-Konrad-Stift sind zurzeit 84 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, darunter zehn Ordensschwestern.
Ministerin Dreyer: Zukunftsfähig
Die rheinland-pfälzische Ministerin für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit, Malu Dreyer, betonte in ihrem Grußwort, das Niveau dieses sehr gelungenen Hauses sei zukunftsfähig im Blick darauf, dass die Menschen künftig noch älter und pflegebedürftiger würden. Das Land halte an der Vielfalt im Angebot an Altenwohnheimen und wohnortnaher differenzierter Versorgung fest. In diesem Sinn habe das Land eine Qualitätsoffensive „Menschen pflegen“ gestartet mit dem Ziel, dem Fachkräftemangel gegenzusteuern und sich der demenzkranken Menschen besonders anzunehmen. Nach Angaben der Sozialministerin gibt es in Rheinland-Pfalz zur Zeit 411 ambulante Pflegedienste und 390 stationäre Einrichtungen mit über 30.000 Pflegeplätzen. Sehr herzlich dankte sie für das große Engagement, das im Bruder-Konrad-Stift spürbar sei.
Oberbürgermeister Beutel: Stadt will Vielfalt der Altenheime
Der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel betonte, dass die Stadt die Vielfalt der Altenheime aufrecht erhalten und ausbauen wolle. Das ursprüngliche Gebäude des Bruder-Konrad-Stifts gelte als zweitältestes Haus in Mainz und sei im 16. Jahrhundert Hospiz gewesen, danach im 18. Jahrhundert Arbeitshaus und von 1798 bis 1910 Gefängnis. Beutel erinnerte an die für die Marienschwestern schwierigen Anfangsjahre seit 1929 und die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg. Jetzt freue er sich über die optimalen Bedingungen für alte Menschen, die hier geschaffen worden seien.
Im Namen der Krankenkassen verwies der Bezirksgeschäftsführer der AOK, Werner Strasser, auf Finanzprobleme im Gesundheitswesen und auf 40.000 nicht besetzte Stellen im Pflegebereich. Vor diesem Hintergrund habe Mut dazu gehört, die Neubauten zu wagen. Der Vorsitzende des Diözesan-Caritasverbandes, Domkapitular Hans-Jürgen Eberhardt, knüpfte daran an und meinte, ein Wagnis einzugehen sei die eine Seite, starke Partner zu haben, die andere Seite. Er dankte nochmals Stadt und Land für die Unterstützung. Es brauche einen gesellschaftlichen Konsens, um die schwierigen Aufgaben in Zukunft fortführen zu können. Es müsse auch heute deutlich werden, „dass es sich lohnt, alt zu werden“.
Helle und freundliche Atmosphäre
Der Architekt Ludwig Mann vom Architekturbüro Maurer und Partner, Mainz, hob hervor, ihm sei vor allem daran gelegen gewesen, eine helle und freundlich-heitere Atmosphäre zu schaffen. Deutlich werde dies zum Beispiel an den großen Fenstern, durch die die Bewohner das Leben in der Altstadt verfolgen oder einen Blick in den Garten werfen könnten. Die Baumaßnahme, in deren Verlauf die Altenheimbewohner immer wieder verlegt werden mussten, sei noch nicht abgeschlossen. So müsse das jetzige Haus 4 noch abgerissen und der angrenzende Teil des Klosters saniert werden. Ihren Dank für die sehr guten Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten im Bruder Konrad-Stift brachten für den Heimbeirat Annemarie Klaffke und für die Mitarbeitervertretung Marion Stohn zum Ausdruck.
Ehrenamtliche geehrt
16 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden mit einer Dankurkunde geehrt, die von Schwester Devota Lanius überreicht wurden. Wie Schwester Gertrudis Treiber (76) ankündigte, wird sie zum Jahresende aus Altersgründen zurücktreten. Dann werde Schwester Devota in ihrer Nachfolge die Heimleitung übernehmen.