Abschiebungshaft
wird häufig vorschnell angeordnet und dauert oft
zu lang. Dies ist die Bilanz, die das Diakonische Werk in Hessen
und Nassau (DWHN) und der Caritasverband für die Diözese Mainz bei der Auswertung
des Rechtshilfefonds für die Abschiebungshaft Ingelheim für das Jahr 2006
ziehen.
Die beiden
Verbände finanzieren seit Ende 2001 neben einer unabhängigen Beratungsstelle
auch eine kostenlose Rechtsberatung für Abschiebehäftlinge in Ingelheim und
halten einen Rechtshilfefonds für rechtliche Interventionen vor, etwa um die
Verhängung von Abschiebehaft in Einzelfällen überprüfen zu lassen oder andere
asyl- und ausländerrechtliche Schritte einzuleiten.
Gern: Abschiebungshaft nur
als ultima ratio
Laut Pfarrer
Dr. Wolfgang Gern, DWHN-Vorstandsvorsitzender, wurden im vergangenen Jahr 53
Fälle durch den Rechtshilfefonds bezuschusst. Aufgrund der so möglich
gewordenen Beschwerden sei fast ein Drittel der Gefangenen wieder freigelassen
worden. „Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, dass Abschiebungshaft in vielen
Fällen offenbar vorschnell und ohne ausreichende Prüfung angeordnet wird“, so
Gern.
Immer wieder
würden Menschen zum Beispiel bei ihrer Asylfolgeantragstellung, bei der
Verlängerung ihrer Duldung oder kurz vor einer bevorstehenden Eheschließung
verhaftet und in Abschiebungshaft gebracht, sagte der Diakonie-Chef.
Amtsgerichte prüften zudem vielfach nur oberflächlich und folgten zumeist den
Argumentationen der Ausländerbehörden. Gern appellierte dagegen,
Abschiebungshaft dürfe nur als ultima ratio vollzogen werden, denn die
Inhaftierung stelle einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit
der Person dar.
Eberhardt:
Abschiebehaft nicht länger als drei Monate
Domkapitular Hans-Jürgen
Eberhardt, Vorstandsvorsitzender des Caritasverbandes für die Diözese Mainz,
berichtete vom Fall eines jungen Mannes aus dem Kosovo, der – obgleich er alle
Auflagen erfüllt hatte – in Abschiebehaft genommen und nach zwei Monaten
abgeschoben wurde. Erst nach seiner Abschiebung entschied das Landgericht, dass
die Haft rechtswidrig war. Dies sei kein Einzelfall, so Eberhardt.
Er kritisierte, dass es
immer noch vorkommt, dass Abschiebungshaft bis zu 18 Monate dauert. Er
erinnerte an die langjährige gemeinsame Forderung von Diakonie und Caritas,
nach der die Abschiebungshaft drei Monate nicht übersteigen dürfe. Vielfach
handele es sich bei Abschiebehäftlingen um Personen, die strafrechtlich nicht
belangt wurden, sondern die aus Existenznot, aus Angst vor der Rückkehr in ein
kriegszerstörtes Land oder aus Angst vor politischer Verfolgung in ihrer Heimat
in der Bundesrepublik bleiben wollen.
Die bisherige ökumenische
Arbeit in der Abschiebungshaft ist laut Gern und Eberhardt nicht möglich ohne
die Unterstützung und den Idealismus vieler Ehrenamtlicher. „Das hohe
Engagement unserer Rechtsberater und die Unterstützung der ehrenamtlichen
Dolmetscher und Berater sind wichtige Säulen unserer Arbeit in Ingelheim“, so
Gern und Eberhardt.
Stichwort:
Abschiebungshaft in Ingelheim
Die
Abschiebungshaft in Ingelheim existiert seit Mai 2001. Sie hat 152 Haftplätze,
zur Zeit sind etwa 50 Männer und Frauen
dort inhaftiert. Das Haftgebäude gleicht einem Sicherheitsgefängnis.
Eine fünf Meter hohe Betonmauer trennt die Insassen von der Außenwelt. Durch
die vergitterten Fenster in den Innengebäuden fällt der Blick auf dreifachen
Stacheldraht.
Stichwort: Rechtsberatung
und Rechtshilfefonds
Im Rahmen der Rechtsberatung
bieten spezialisierte Rechtsanwälte den Inhaftierten einmal wöchentlich ihre
Rechtsberatung an. Diese Beratung ist für die Häftlinge kostenlos und verfolgt
das Ziel, die im Grundgesetz verankerte Rechtswegegarantie (GG Art. 19,4) in
Anspruch zu nehmen. Neben der Rechtsberatung existiert ein Rechtshilfefonds.
Damit werden Verfahren teilfinanziert, um die Verhängung von Abschiebungshaft
zu überprüfen oder andere asyl- und ausländerrechtliche Schritte einzuleiten.
Die Rechtsberatung und der Rechtshilfefonds werden von den beiden Verbänden aus
Eigenmitteln und aus Spenden finanziert.
Hinweis
Diese Pressemitteilung wurde
gleichzeitig verschickt
vom Diakonischen Werk in
Hessen und Nassau
und vom Caritasverband der Diözese Mainz.