GIEßEN/HUNGEN.- "Hier ist der Stromsparcheck, Faust. Guten Morgen." Es ist kurz nach 9 Uhr, als Kirsten Faust mit einem Kollegen an der Tür eines Mehrfamilienhauses im mittelhessischen Hungen (Landkreis Gießen) klingelt. "Hallo, 2. Stock bitte", meldet sich eine Frau über die Gegensprechanlage. Wenig später sitzt die 64-jährige Faust, die eine rote Weste trägt und so als Mitarbeiterin des Gießener Stromsparchecks zu erkennen ist, in einer kleinen Wohnung auf einem Pflegebett. "Wir werden jetzt die Elektrogeräte messen und dann auch die Lampen prüfen", erklärt Faust ihrer Kundin Michaela S. "Haben Sie Schimmel oder undichte Fenster?", erkundigt sich Faust, während ihr Kollege mit dem Diensthandy alte Stromrechnungen, Betriebskostenabrechnungen sowie Einkommensnachweise fotografiert und überprüft.
"Ich bin froh, wenn jemand alles prüft", sagt Michaela S., die wegen einer schweren Krankheit nicht mehr arbeiten kann. "Miete, Strom und Gas. Da ist meine Rente schnell weg", erklärt die Frau. 130 Euro betrage die monatliche Stromrechnung. Warum der Stromverbrauch so hoch ist, kann sich die Frau nicht erklären. Sie tippt auf das Kühlgerät, das immer wieder schnell vereise. "Die Stromkosten fressen mich auf. Vielleicht bringt der Check ja etwas und ich erhalte einen neuen Kühlschrank. Das wäre schon eine große Hilfe."
Klima und Geldbeutel schonen
Das Klima und den Geldbeutel von Menschen mit wenig Geld schonen. Das ist das Ziel von "Hessen checkt Strom!". Das hessenweite Projekt der Caritas ermöglicht Menschen mit geringem Einkommen, alte Kühlschränke kostenlos gegen neue auszutauschen. Gefördert wird es mit 3,2 Millionen Euro vom Hessischen Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt bis Ende 2024. "Wir haben bereits mehr als 200 Kühlschränke ausgetauscht und damit den CO²-Ausstoß um 40 Tonnen pro Jahr reduziert", erklärt Julia Seßar Projektleiterin von "Hessen checkt Strom!" beim Caritasverband für die Diözese Limburg. Jeder Haushalt werde durchschnittlich um 150 Euro entlastet. Nach anfänglichen Verzögerungen werden derzeit fast 50 Kühlschränke pro Monat getauscht. Seßar hofft, dass bis zum Jahresende noch Hunderte dazukommen.
Wenig später beginnt in Hungen die Suche nach den "Stromfressern": Kirsten Faust und ihr Kollege prüfen jedes angeschlossene Gerät, messen den Stromverbrauch und kontrollieren die Lampen. Auch das Nutzungsverhalten erfragen die beiden genau. Zuerst bei den Geräten auf der Küchenzeile, dann im Wohn- und Schlafbereich sowie im Bad. Zuletzt sind die Wasserhähne und Duschköpfe dran. Während ihr Kollege die Geräte durchgeht, dokumentiert Kirsten Faust alles akribisch. "Wir geben das alles in eine Datenbank ein", sagt Faust. Die Dateneingabe und Recherche dauerten meist länger als die Checks selbst. Die Kühlschrank-Temperatur überprüfen die Stromspar-Checker ganz genau mit einem mitgebrachten Thermometer. "Das sind 8 Grad und ist völlig normal", sagt Fausts Kollege zufrieden. Dann fotografiert er das Typenschild, um so das Baualter bestimmen zu können. Dann wird über einen längeren Zeitraum auch der Stromverbrauch gemessen.
Checks lohnen sich für Kunden
C. Mann/DiCV Limburg
Ob Michaela S. tatsächlich einen neuen Kühlschrank erhält, lässt sich bei dem Besuch noch nicht sagen. Der Besuch der Stromsparberater wird sich für die Hungenerin aber auf jeden Fall lohnen. Ein defekter Mehrfachstecker und Lampen, die viel verbrauchen, tauscht Fausts Kollege bei einem zweiten Besuch kostenlos aus. "Da können im Monat schnell einige Kilowattstunden zusammenkommen", erklärt er. Beim zweiten Besuch die Stromspar-Checker dann auch detaillierte Auswertungen und Jahreshochrechnungen für jedes Gerät mit. "Wir schauen uns dann genau an, wo die Stromfresser sind, und geben Tipps, wie man Strom sparen und sein Nutzungsverhalten ändern kann." Michaela S. freut sich schon darauf: "Ich finde das wirklich interessant und bin gespannt, was bei der Auswertung dann herauskommt."
Über das Projekt "Hessen checkt Strom"
Das Landesprojekt "Hessen checkt Strom!" (HcS) ermöglicht Berechtigten den kostenlosen Umtausch ihres alten Kühlschranks gegen ein neues energieeffizienteres Gerät. In Hessen gibt es 9 Standorte von HcS: Sie befinden sich in Kassel, Gießen, Offenbach, Wetzlar, Frankfurt, Darmstadt, Hofheim, Groß-Gerau und Fulda. Die Standorte bieten Sozialleistungsempfängern oder Menschen mit geringem Einkommen eine kostenfreie Stromsparberatung.
Die Stromspar-Checker sind häufig Menschen, die lange Zeit arbeitslos waren. Für sie ist das Projekt ein mögliches Sprungbrett zurück in den ersten Arbeitsmarkt.
Für den Kühlschranktausch über "Hessen checkt Strom!" sind folgende Kriterien zu beachten:
• Antragsberechtigt sind Menschen mit geringem Einkommen oder einer Rente unterhalb der Pfändungsfreigrenze oder Menschen, die Transfer- oder Sozialleistungen wie Bürgergeld oder Wohngeld beziehen.
• das Gerät muss älter als 10 Jahre sein
• mit einem Neugerät müssen mindestens 200 kWh pro Jahr eingespart werden
• das neue Gerät sollte die gleiche Größe wie das alte haben
• das Neugerät muss in die Energieklasse A bis D fallen.
Interessierte können sich telefonisch an die Standorte in ihrer Nähe wenden und einen Termin vereinbaren. Weitere Informationen und Kontakte unter www.hessen-checkt-strom.de. Wer lediglich seinen Kühlschrank überprüfen lassen möchte, kann auch einen Kurzcheck vereinbaren.
Ansprechpartnerin:
Julia Seßar, Projektkoordinatorin "Hessen checkt Strom!"